Pfade Ins Zwielicht
Teil schwelte mit einem Zorn, der sich kaum bändigen ließ. Aram drängte sich mit finsterer Miene neben ihn, aber immerhin hatte er das Schwert nicht gezogen. Mit dem Schwert herumzufuchteln mochte eine glühende Kohle in den Heuschober werfen, und der Zeitpunkt für die Konfrontation mit Masema war noch nicht gekommen. Perrin legte eine Hand auf die Axt. Noch nicht.
Trotz der schrägen Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch das dichte Blätterdach hindurchfanden, war der Wald in dämmerige Schatten gehüllt. Selbst am Mittag würde es hier düster sein. Zuerst hörte er die Geräusehe, das gedämpfte Stampfen von Hufen im Schnee, das heisere Schnauben von Pferden, die angetrieben wurden, und dann erschien eine Masse von Reitern, eine wilde Horde, die trotz Schnee und unwegsamem Gelände fast im Galopp an den gewaltigen Bäumen vorbeiströmte. Es waren keine Hundert, sondern zwei- oder dreimal soviel. Ein Pferd stürzte mit schrillem Wiehern und blieb zuckend auf seinem Reiter liegen, aber keiner verlangsamte auch nur das Tempo, bis ein siebzig oder achtzig Schritte vorausreitender Mann die Hand hob, und sie rissen an den Zügeln, und Schnee spritzte auf, und die schwitzenden Pferde schnaubten und dampften. Hier und da ragten bei den Reitern Lanzen in die Höhe. Die meisten trugen keine Rüstung, viele bloß einen Brustpanzer oder einen Helm, aber an ihren Sätteln hingen Schwerter und Äxte und Keulen. Sonnenstrahlen beleuchteten ein paar Gesichter, grimmige Männer, die aussahen, als hätten sie nie in ihrem Leben gelächelt und würden es auch niemals tun.
Perrin kam der Gedanke, dass es ein Fehler gewesen war, Berelain nicht zu überstimmen. Das kam davon, wenn man hastige Entscheidungen traf, der Wut das Denken überließ. Jeder wusste, dass sie morgens oft ausritt, und Masema wollte möglicherweise sein seanchanisches Dokument verzweifelt wiederhaben. Selbst mit den Aes Sedai und den Weisen Frauen konnte ein Kampf in diesen Wäldern zu einem blutigen Handgemenge werden, bei dem Männer und Frauen sterben konnten, ohne zu sehen, wer sie getötet hatte. Wenn keine Zeugen übrig blieben, konnte man alles auf Banditen oder sogar die Shaido schieben. Das war schon zuvor geschehen. Und falls Zeugen übrig blieben, würde Masema nicht zögern, ein paar Dutzend seiner eigenen Männer aufzuhängen und zu behaupten, die Schuldigen seien bestraft worden. Allerdings würde er Perrin Aybara vermutlich noch eine Weile am Leben lassen wollen, und er würde nicht mit den Weisen Frauen gerechnet haben, oder einer zweiten Aes Sedai. Kleine Punkte, um daran fünfzig Leben festzumachen. Sehr kleine Punkte, um daran Failes Leben festzumachen. Perrin lockerte die Axt im Gürtel. Berelain neben ihm roch nach kühler Ruhe und steinerner Entschlossenheit. Seltsamerweise war da keine Furcht. Nicht mal ein Hauch. Aram roch ... aufgeregt.
Die beiden Gruppen musterten sich schweigend, bis Masema schließlich von nur zwei Männern gefolgt nach vorn ritt; alle drei schoben die Kapuzen zurück. Keiner trug einen Helm oder eine Rüstung. Wie Masema kamen auch Nengar und Bartu aus Schienar, aber genau wie er hatten sie die Haarknoten abrasiert und waren jetzt kahlköpfig, was ihnen das Aussehen von Totenschädeln verlieh. Das Auftauchen des Wiedergeborenen Drachen hatte alle Bande zerstört, einschließlich der Eide dieser Männer, an der Grenze der Fäulnis gegen den Schatten zu kämpfen. Nengar und Bartu trugen jeder ein Schwert auf dem Rücken und ein zusätzliches am Sattelknauf, und Bartu, der kleinere der beiden, hatte ein Futteral mit einem Reiterbogen und einen Köcher am Sattel befestigt. Masema trug keine sichtbaren Waffen. Der Prophet des Wiedergeborenen Lord Drachen brauchte keine. Perrin war froh, dass Gallenne die von Masema zurückgelassenen Männer im Auge behielt, denn der Prophet hatte etwas an sich, das die Blicke auf sich zog. Vielleicht war es nur das Wissen, wer er war, aber das reichte schon aus.
Masema zügelte seinen schlanken Fuchs ein paar Schritte von Perrin entfernt. Der Prophet war ein Mann von durchschnittlicher Größe mit einer strengen Miene, dessen eine Wange von einer verblassten Pfeilnarbe gezeichnet wurde. Er trug einen abgetragenen braunen Wollmantel und einen dunklen Umhang mit ausgefransten Säumen. Masema kümmerte sich nicht um das äußere Erscheinungsbild, am wenigsten um das seine. Nengar und Bartu hinter ihm hatten einen fiebrigen Blick, aber Masemas tiefsitzende, beinahe schwarze Augen
Weitere Kostenlose Bücher