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Pfade Ins Zwielicht

Pfade Ins Zwielicht

Titel: Pfade Ins Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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plötzlich ein taubes Gefühl in seinem Inneren. Er stieß mit den Fersen zu, und Schnellhuf verfiel in Galopp. Er wusste nicht, ob ihm jemand folgte oder nicht. Er hörte nichts außer dem Pochen seines Bluts in den Ohren, sah nichts außer der Menge vor seinem eigenen hoch aufragenden Zelt. Das Zelt, das er mit Deira teilte.
    Er zügelte nicht einmal das Pferd, als er die Menge erreichte, sondern sprang einfach aus dem Sattel und landete laufend auf dem Boden. Er hörte die Leute sprechen, ohne wahrzunehmen, was sie sagten. Sie wichen vor ihm zurück und öffneten einen Pfad zu seinem Zelt; er hätte sie sonst über den Haufen gelaufen.
    Hinter der Schwelle kam er zum Stehen. Das Zelt war groß genug, um zwanzig Soldaten einen Schlafplatz zu gewähren, aber nun drängten sich Frauen bis zu den Wänden, die Ehefrauen von Adligen und Offizieren, aber sein suchender Blick fand schnell seine eigene Frau. Deira saß auf einem Klappstuhl in der Mitte des Teppichs, und das Gefühl der Taubheit verschwand. Ihm war klar, dass sie eines Tages sterben würde - das würden sie beide -, aber er fürchtete nur eines: ohne sie leben zu müssen. Dann sah er, dass einige der Frauen ihr halfen, das Gewand bis zur Taille abzustreifen. Eine andere drückte ein zusammengefaltetes Tuch gegen Deiras linken Arm, und der Stoff verfärbte sich rot, während Blut den Arm hinunterströmte und von ihren Fingern in eine auf den Teppich gestellte Schüssel tropfte. In der Schüssel befand sich bereits eine beträchtliche Menge dunkles Blut.
    Sie sah ihn im gleichen Augenblick, und ihre Augen blitzten in einem Gesicht auf, das viel zu blass war.
    »Das kommt davon, wenn man Ausländer in seine Dienste nimmt«, sagte sie wild und drohte ihm mit dem Dolch in ihrer rechten Hand. So groß wie die meisten Männer, ein paar Fingerbreit größer als er, und wunderschön, wurde ihr Gesicht von rabenschwarzem, mit weißen Strähnen durchzogenem Haar eingerahmt; sie hatte ein dominierendes Auftreten, das herrisch werden konnte, wenn sie wütend war. Selbst wenn sie sich offensichtlich kaum aufrecht halten konnte. Die meisten Frauen hätte es verunsichert, in Anwesenheit ihres Gemahls vor so vielen Menschen nackt bis zur Taille zu sitzen. Aber nicht Deira. »Wenn du nicht immer darauf beharren würdest, schnell wie der Wind zu reisen, könnten wir gute Männer von unseren eigenen Gütern haben, um alles Notwendige zu erledigen.«
    »Ein Streit mit der Dienerschaft, Deira?«, sagte er und hob eine Braue. »Ich hätte nie gedacht, dass du mit Messern auf sie losgehst.« Ein paar Frauen warfen ihm kühle Seitenblicke zu. Nicht jeder Mann und seine Frau gingen so miteinander um wie er und Deira. Manche hielten sie für merkwürdig, weil sie sich nur selten anschrien.
    Deira sah ihn stirnrunzelnd an, dann gab sie ein kurzes, unwillkürliches Lachen von sich. »Ich werde am Anfang beginnen, Davram. Und es langsam erzählen, damit du auch mitkommst«, fügte sie mit einem schmalen Lächeln hinzu und hielt inne, um der Frau zu danken, die ein weißes Leinentuch um ihren nackten Oberkörper drapiert hatte. »Ich kehrte von meinem Ausritt zurück und ertappte zwei seltsame Männer dabei, wie sie unser Zelt durchwühlten. Sie zogen Dolche, also schlug ich den einen mit einem Stuhl nieder und versetzte dem anderen einen Stich.« Sie bedachte ihren verletzten Arm mit einer Grimasse. »Nicht gut genug, da es ihm gelang, mich zu verletzen. Dann kamen Zavion und ein paar der anderen herein, und die beiden flohen durch den Schlitz, den sie in die Rückseite des Zelts geschnitten hatten.«
    Mehrere Frauen nickten grimmig und griffen nach den Dolchen, die sie alle trugen. Bis Deira finster sagte: »Ich habe ihnen befohlen, die Verfolgung aufzunehmen, aber sie bestanden darauf, diesen Kratzer zu versorgen.« Hände ließen Dolche los, und Gesichter röteten sich, obwohl keine auch nur annähernd so aussah, als würde es ihr Leid tun, den Befehl nicht befolgt zu haben. Sie waren in einer schwierigen Lage gewesen. Deira war ihre Lehnsherrin, so wie er ihr Lehnsherr war, aber auch wenn sie es nur als Kratzer bezeichnete, hätte sie verbluten können, während sie die Diebe verfolgten. »Wie dem auch sei«, fuhr sie fort, »ich habe eine Suche angeordnet. Sie werden nicht schwer zu finden sein. Der eine hat eine Beule am Kopf, der andere blutet.« Sie nickte energisch und zufrieden.
    Zavion, die sehnige rothaarige Lady von Gahaur, hielt eine eingefädelte Nadel in die Höhe.

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