Pfefferbeißer - Harz Krimi
Rathaus und dem historischen
Hotel Kaiserworth mit der schönsten Fassade der ganzen Stadt. Im Hintergrund
die aufschießenden Kirchtürme. Sina liebte dieses uralte Goslar. So schief und
krumm, wie die Altstadt war – kein einziges rechtwinkliges Haus, keine geraden
Bordsteine –, wirkte sie kindlich unvollkommen und war doch höchste Kunst.
Auf Chao schien der Sommerabendcharme keine Wirkung zu haben. Er war
wieder so eigenartig still. Sina konnte ihn verstehen, gleichzeitig kroch Angst
in ihr hoch. Hausarbeit füllte einen Mann wie Chao nicht aus. Wie lange würde
es dauern, bis seine Arbeitslosigkeit die ersten Schatten auf ihre Beziehung
warf?
»Hast du Lust, eine Party zu machen?«, versuchte sie die düsteren
Gedanken zu verjagen.
»Warum?«
»Einfach so.«
»Meinst du, ich hätte eine Party nötig?«
»Eindeutig ja!«
»Und wer kommt alles?« Chaos Laune schien sich aufzuhellen.
Jens Niebuhr, das war klar, dachte Sina. Doch dann wurde es schon
schwer. Keilberth? Nein. Er war Kollege, aber immer auf Abstand bedacht. Und
die anderen Kollegen konnte man vergessen. Langweilig und hinterfotzig.
Scheißfreundlich würden sie sein und anschließend über sie herziehen. Sieh an,
sieh an, Madame Hauptkommissarin hat sich einen jungen Stecher gesucht. Kann
sich wohl mit dem Älterwerden nicht abfinden und so weiter und so weiter. Ihr
wurde speiübel bei dem Gedanken.
»Wie wär’s mit deinen Freunden?«
»Die meisten sind nach dem Studium aus Clausthal weggezogen. Aber
wir könnten meine Eltern einladen.«
»Au ja, und meine Eltern auch. Da kommt Stimmung auf.«
Sie lachte. Chao ließ sich anstecken. Sie hatte es wieder einmal
geschafft.
FÜNF
»Vor deiner Tür sitzt jemand«, sagte Niebuhr, als er Sinas
Büro im Präsidium betrat.
»Und warum klopft dieser Jemand nicht an und kommt herein?«
»Keine Ahnung.«
Sina öffnete die Tür zum Gang einen Spaltbreit und spähte hinaus. Im
selben Augenblick zuckte eine junge Frau auf ihrem Stuhl zusammen und duckte
sich wie ein Hase in der Ackerfurche.
»Möchten Sie zu mir ?«, fragte Sina.
Die junge Frau nickte.
»Dann kommen Sie doch bitte.«
Die Frau stand auf, griff nach ihrer Tasche und folgte Sina, ohne
ein Wort zu sagen. Ihre Angst war anscheinend so groß, dass es sie eine Menge
Überwindung gekostet haben musste, hierher ins Präsidium zu kommen.
Als sie das Büro betrat, bekam Niebuhr Stielaugen. Warum Männer nur
immer so primitiv sein müssen, dachte Sina. Doch die junge Frau war
unbestreitbar hübsch: schlank und mittelgroß und mit den sinnlichen Lippen und
den Rehaugen mit allem ausgestattet, um die Urinstinkte im Mann zu wecken.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, legte Niebuhr die Platte »Wir sind alle
ganz furchtbar sympathisch bei der Polizei« auf.
Die junge Frau schüttelte kaum sichtbar den Kopf.
»Läuft eben ganz frisch durch.«
»Die Dame möchte keinen Kaffee, Herr Oberkommissar«, sagte Sina,
»aber mir kannst du einen mitbringen …« Sie grinste Niebuhr frech an.
»Na schön«, antwortete er enttäuscht und trollte sich.
»Mit Milch und Zucker bitte!«, rief ihm Sina noch hinterher. »Warum
kommen Sie zu uns?«, wandte sie sich dann an die junge Frau.
Keine Antwort.
»Wenn Sie nicht reden, kann ich Ihnen nicht helfen.«
Die Frau begann in ihrer Tasche zu kramen und förderte einen Fetzen
Papier ans Tageslicht, den sie Sina entgegenhielt.
Auf dem Zeitungsfoto war der Siegelring abgebildet.
»Gehört der Ring Ihnen oder jemandem, den Sie kennen?«
Bevor sie eine Antwort erhielt, ging die Tür auf und Niebuhr kam
zurück. Er stellte Sina den Kaffee vor die Nase, den eigenen behielt er in der
linken Hand. Mit der rechten packte er einen der Schalenstühle und rückte ihn
so nahe an den der jungen Frau, dass er die Schweißperlen auf ihrer Stirn hätte
zählen können.
Was soll das?, dachte Sina. Jens musste doch spüren, dass er sie auf
diese Weise nur noch mehr einschüchterte. Konnte es sein, dass sich der werte
Kollege soeben Hals über Kopf verschossen hatte?
»Vielleicht fangen wir von vorne an, und Sie sagen mir zuerst einmal
Ihren Namen«, versuchte Sina der Frau die Angst zu nehmen. Aber die schwitzte
nur noch mehr.
»Bitte«, versuchte es Niebuhr mit ruhiger, vertrauenerweckender
Stimme, »sagen Sie uns Ihren Namen.«
Er gibt sich alle Mühe, dachte Sina, unweigerlich schmunzelnd.
»Milda«, sagte die junge Frau mit einer Aussprache, in der das L
so charmant schwang, dass Niebuhr vor Entzücken
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