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Pfefferbeißer - Harz Krimi

Pfefferbeißer - Harz Krimi

Titel: Pfefferbeißer - Harz Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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tragen.
    Und noch etwas bewegte sie: Hatte sie sich nicht geschmeichelt
gefühlt, als Chao ein Kind von ihr haben wollte, hatte sie dieser Gedanke nicht
abheben lassen, immer wenn er ihr durch den Kopf ging, in der Stadt, im Dienst?
Und jetzt erwartete sie von Torsten und Carolin, dass sie ihr Kind abtreiben
sollten. War ihr eigenes Kind besser als Torstens Kind?
    In diesem Moment hatte sie die tiefe Empfindung, dass ihr die moralische
Integrität fehlte, sich zur Richterin aufzuspielen. Das änderte aber nichts
daran, dass die Situation geklärt werden musste.
    »Was haben denn deine Eltern dazu gesagt, Carolin?«, beendete Sina
endlich die unerträgliche Stille.
    Torsten und Carolin hoben gleichzeitig den Kopf. Carolin strich sich
die Haare aus dem Gesicht.
    »Die wissen noch nichts davon«, antwortete sie kleinlaut mit unsicherer
Mädchenstimme und einer kindlichen Unschuldsmiene, die Sina fast zur
Verzweiflung brachte. Aber sie musste ruhig bleiben. Wenn sie die Beherrschung
verlor, war das Gespräch vorzeitig beendet.
    »Mum, entschuldige, aber wir mussten bei irgendjemandem anfangen,
und wir fangen bei dir an.«
    Sina forschte in Torstens Gesicht. Sie suchte und fand den Jungen,
der seine Mutter um Hilfe anflehte, den kleinen Teufel, der seine Mutter
benutzte, den jungen Mann, der Flagge zeigte. Sie wandte sich nicht ab, als sie
spürte, dass ihr Tränen in den Augen standen. Er sollte sehen, wie nahe ihr das
alles ging.
    »Soll ich jetzt damit anfangen, euch zu erzählen, was ein Kind für
eure Zukunft bedeutet, dass man ein Kind nicht abstellen kann, dass ein Kind
immer da ist? Von morgens bis abends und auch nachts? Es interessiert sich
nicht dafür, ob ihr Schule habt, ob ihr Geld verdienen müsst. Es ist hilflos,
dieses Kind, und hat Ansprüche …«
    »Ja, Mum. Es ist uns klar, dass wir das nicht ohne Hilfe schaffen.
Wir wollen nur eins wissen – hilfst du uns?«
    Sie wusste nicht weiter. Wo war bloß Chao? Wahrscheinlich oben in
seiner kleinen Bibliothek und las seelenruhig in einem der Bergbaubücher aus
seiner Studienzeit in Clausthal. Aber es war sowieso ihre Entscheidung.
    Doch sie konnte es nicht. Sie sah sich außerstande zu fordern, dass
Torsten und Carolin sich von dem Kind trennen sollten, bevor es zu spät war.
Andererseits hatte Torsten keine Lebenserfahrung, und sie musste ihn schützen.
    »Ich weiß, was du denkst, Mum, und ich respektiere es«, sagte
Torsten mit männlich erwachsener Stimme, »aber könntest du uns und unser Kind
nicht als eine Bereicherung in unserem gemeinsamen Leben ansehen?«
    Er zwang sie in vollendete Tatsachen und schaffte es auch noch, ihr
ein schlechtes Gewissen zu machen. Seine Worte brachten sie gegen ihn auf, und
gleichzeitig beschämten sie sie. Wieder schossen ihr Tränen in die Augen,
Tränen der Rührung, Tränen der Wut und der Ohnmacht. Diesmal wandte sie sich ab
und stemmte sich aus dem Sessel. Sie ging zwei Schritte in Richtung Tür. Dann
blieb sie stehen.
    »Ich weiß nicht, ob ich euch helfen kann«, sagte sie, »und ob ich es
will.«

SECHZEHN
    Den Rest des Abends versuchte Sina, sich zu beruhigen,
indem sie durch die Fernsehkanäle zappte. Chao war in seiner Bibliothek
geblieben und ließ sich bis zum Schlafengehen nicht mehr blicken. Torsten war
mit Carolin abgehauen und kam erst nach elf allein zurück. Sina lag schon mit
Chao im Bett, als sie über sich Geräusche hörte.
    Die ganze Nacht verfolgte sie das Bild der beiden, wie sie mit
hängenden Köpfen nach dem Gespräch aus dem Wohnzimmer getrottet waren. Nicht
nur dass sie sie vor vollendete Tatsachen gestellt und noch dafür in die
Verantwortung genommen hatten, sie erwarteten auch die Lösung ihres Problems
von ihr. Und das nicht zu Unrecht: Torsten war noch nicht volljährig, ein Kind.
Und sie trug für ihn die Verantwortung.
    Nach einem kurzen Frühstück allein machte Sina einen Abstecher ins
Präsidium, wo ihr Keilberth mitteilte, dass es im Fall Janis Auseklis und bei
der Fahndung nach Milda Auseklis keine neuen Erkenntnisse gab. Die Kollegen in
Riga fischten genauso im Trüben. Warum war die junge Lettin bloß geflohen? Wenn
sie unschuldig war, machte sie sich damit nur verdächtig. Auch die  KT hatte weder in ihrem Fall noch in der Mordsache
ihres Mannes neue Spuren gefunden, die den Ermittlungen Schwung hätten geben
können. Er war nur schwer erträglich, dieser erzwungene Stillstand, aber ihnen
blieb keine Zeit für ergebnislosen Aktionismus.
    Sina fuhr zurück ins

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