Pfefferbeißer - Harz Krimi
meinen.«
Angelika Senft, Inhaberin der Buchhandlung Senft, war
zierlich. Ihr Gesicht mit puppenhaft ebenmäßigen Zügen deutete auf ein zartes
Seelenleben hin, die nervösen Finger barg sie im Schoß. Sie war dreiunddreißig,
ledig und sprach mit dünner, hoher Stimme.
»Es ist eineinhalb Jahre her. Ich habe damals noch mit meiner Mutter
zusammen die Buchhandlung geführt. Eines Tages erschien Herr Hauke und suchte
nach einem Geschenk für eine nicht besonders intellektuelle Dame, wie er sich
ausdrückte …«
»So haben Sie sich also kennengelernt«, ermutigte Sina die Zeugin.
»Ja, ich habe ihm einige Vorschläge gemacht, und am Ende ist es ein
Kochbuch über die leichte Küche geworden.« Offenbar amüsierte sie sich heute
noch darüber, denn sie lachte kurz auf.
»Und dann …?«, fragte Niebuhr.
»Zwei, drei Tage später kam er wieder und erzählte mir, dass er mit
dem Buch einen vollen Erfolg gelandet hätte. Freut mich, habe ich gesagt. Dann
hat er gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm auszugehen. Auf diese Weise
wolle er sich für meine exzellente Beratung bedanken. Auch wenn ich das für
etwas übertrieben hielt, habe ich zugesagt, und wir hatten einen sehr schönen
Abend.«
»Sie begannen ein Verhältnis?«
»Das kann man so sagen. Er hatte nie viel Zeit, und wir konnten uns
nur selten sehen, aber wenn wir uns trafen, war es immer sehr romantisch.«
In der Zeit hielt Helmut Hauke also mindestens zwei Beziehungen
aufrecht und bespielte die ganze Klaviatur, dachte Sina.
»Wussten Sie, dass er verheiratet war?«, stellte sie auch der Buchhändlerin
diese Frage.
»Am Anfang nicht …« Das farblose Gesicht der Zeugin bekam einen
rosa Schimmer.
»Waren Sie enttäuscht, als Sie es herausgefunden haben?«
»Wenn Sie meinen, dass ich mir Hoffnungen gemacht habe …
Anfangs schon. Es war wie im Film, Hugh Grant und Julia Roberts … einfach
zu schön. Ich hätte mir denken können, dass das nicht gut geht.«
Die Enttäuschung war Angelika Senft immer noch anzusehen. Das hatte
einmal sehr geschmerzt, dachte Sina.
»Ihre Beziehung ist also an seiner Ehe gescheitert?«, fragte Niebuhr.
»Nein, ich hatte mich damit abgefunden, dass er sich nicht scheiden
lassen wollte. Seine Frau sei krank, hat er mir erzählt, er könne nicht so
herzlos sein und sie einfach im Stich lassen. Seine Einstellung hat mir sogar
gefallen, und ich war bereit, mich zu arrangieren …«
»Aber dann war es Ihnen doch zu wenig, und Sie haben sich von Hauke
getrennt?«, fragte Sina.
»Nein, es war anders. Irgendwann hat er nicht mehr angerufen, und
wenn ich ihn anrief, hatte er immer eine
Entschuldigung, warum es mit einem Treffen nicht klappen würde. Einmal hat er
mich einfach weggedrückt. Ich hätte nie gedacht, dass es so stillos enden
könnte …«
»Wann war es zu Ende?«
»Vor etwa einem halben Jahr.«
»Wo waren Sie am Abend, als Helmut Hauke zu Tode kam?«
»Ich war das ganze Wochenende bei meiner Schwester in Laatzen.«
»Auffallend ist, dass er sich von beiden Frauen etwa
gleichzeitig getrennt hat«, sagte Niebuhr nachdenklich, »und sie hatten keine
Ahnung, warum. Genauso wie wir …«
»Vielleicht hatte er einfach die Nase voll von ihnen?«
Sina verschaffte sich Bewegung, indem sie eine Runde durch den Raum
drehte, strich nachdenklich mit der Hand über den Spiegel, der in Wirklichkeit
ein Beobachtungsfenster, aber nur von der anderen Seite durchsichtig war.
»Oder er ist einer Frau begegnet, in die er sich richtig verliebt hat«, sagte Niebuhr.
»Für die er auch seine Frau verlassen hätte …« Für einen kurzen
Moment verharrte Sina in Gedanken. »Angenommen, Hauke hat wirklich die Frau
seines Lebens gefunden und dafür alle anderen Beziehungen in den Wind
geschossen – vielleicht sogar seine Ehe –, dann haben wir mindestens
zwei neue Motive, wenn man die Delano ausnimmt. Die Buchhändlerin hat die
Demütigung immer noch nicht verkraftet, und Verena Hauke wäre mit Sicherheit
auch zu einem Mord fähig gewesen, bevor sie sich von ihrem Mann hätte ausbooten
lassen. Fragt sich nur, wer die Auserwählte war.«
»Die Buchhändlerin hat ein nachprüfbares Alibi …«
Plötzlich ging die Tür auf, und Keilberth kam herein.
»Ich habe gerade mit OB Sandrock
gesprochen. Er hat einen wichtigen Termin und muss die Befragung leider
verschieben«, verkündete er. »Ich habe ihm gesagt, dass das in Ordnung geht.
Ihr habt ja sicher noch anderes zu tun, zum Beispiel Berichte
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