Pfefferbeißer - Harz Krimi
Milieu geschehen. Aber so ist es
nicht. Die meisten Morde passieren in heimeligen Wohnküchen, in Ehebetten, bei
der Gartenarbeit …«
»Wie lange waren Sie verheiratet?«, versuchte Sina den alten Mann
vom Thema Mord abzubringen. Es hatte so nett angefangen, und sie wollte sich
einfach nur ein bisschen unterhalten.
»Zweiunddreißig Jahre … Mord ist etwas Alltägliches. Sie und ich,
wir alle könnten zum Mörder werden …« Klawitter schien immer mehr in
trüben Gedanken zu versinken. »Manchmal merkt man gar nicht, dass man zum
Mörder wird …«
Ein komischer alter Knabe, dachte Sina. Und sie hatte das deutliche
Gefühl, dass etwas in dieser verschrumpelten Gestalt steckte, die ihr da
gegenübersaß, das unbedingt herauswollte.
»Wie meinen Sie das?«
»Möglicherweise ist heute Ihr Glückstag, Frau Kramer, und Sie können
ohne viel Aufhebens einen Mörder festnehmen.«
Sina horchte auf. Es war nicht auszuschließen, dass der alte Herr etwas
über den Mord an Hauke wusste. Immerhin war er der Vater des stellvertretenden OB und vermutlich über die Intrigen im Rathaus im
Bilde. Warum sollte nicht sogar hier im Haus etwas vorgefallen sein, was ihm
verdächtig vorkam? Nicht ausgeschlossen, dass er sogar wusste, wer der Mörder
war.
»Und wen bitte?«
»Mich.«
Sie lachte kurz auf. Ein Geschichtenerzähler erster Güte. Sie hätte
es wissen müssen. Aber er war zu gut gewesen, und sie war auf ihn reingefallen.
»Aber Herr Professor Klawitter …«
»Nein, nein. Ich bin ein Mörder. Der Mörder meines Söfchens …«
Sina schmunzelte, und in ihren Augen las Klawitter offenbar die
Frage: Wie das?
»Nicht so einfach, wie man denkt … nicht erstochen, nicht erschlagen,
nicht erschossen, nicht erwürgt … nicht so plump und direkt, aber nicht
weniger grausam … im Gegenteil …«
»Vergiftet?«, fragte Sina. Jetzt war es doch wieder amüsant geworden.
»Könnte man fast sagen … Es war ein Gift. Ein schleichendes
Gift, das einen über Jahre langsam zu Tode quält …«
Seltsam nur, dass Klawitter senior ein völlig zerknirschtes Gesicht
machte und es wässrig in seinen Augen schimmerte.
»Und welches Gift meinen Sie?«
»Die Langeweile, Frau Kramer. Ich habe mein Söfchen zu Tode
gelangweilt.«
***
Schon wieder diese Frau, dachte Klawitter, und immer dann,
wenn er nicht wusste, wohin mit den Terminen. Seit Miriam der Kanzlei von heute
auf morgen den Rücken gekehrt und einfach die Adresse ihrer Freundin in
Braunschweig mit den Worten hinterlegt hatte: »Falls es nicht anders geht, bin
ich hier zu erreichen«, ging schief, was nur schiefgehen konnte. Dauernd war
jemand krank, Akten verschwanden spurlos, in der Toilette stank es nach
Zigarettenrauch, und seine Zugehfrau kam zu spät und kochte nur noch halb so
gut. Kurzum: Seine Welt wankte. Er musste sich endlich damit abfinden, dass
Miriam nicht zurückkehren würde, und wenigstens in der Kanzlei Ersatz für sie
suchen. Das sagte er sich täglich, und jeden Tag schob er es weiter hinaus. Und
jetzt die Kommissarin.
Was hatte sie bei seinem Vater zu suchen? Er kannte seinen alten
Herrn allerdings zu gut, als dass er befürchten müsste, dass er der Kanzlei
schaden könnte. Schließlich war sie auch sein Lebenswerk.
Er würde seinem Sohn auch nicht in den Rücken fallen, vielleicht weniger aus Liebe
als aus Kalkül. Aber das stand auf einem anderen Blatt. Außerdem, was sollte er
der Kommissarin schon verraten? Klawitter hatte seinen Vater schon länger nicht
mehr in seine politischen Geschäfte eingeweiht. Der alte Herr brauchte nicht
alles zu wissen, konnte ihm ohnehin kaum mehr einen Rat geben, der neu gewesen
wäre. Und wenn er ihm von den zweideutigen Angeboten der IIT berichtet hätte, wäre das Urteil klar ausgefallen:
Finger davonlassen! Vielleicht war das auch das einzige Urteil, das man
akzeptieren konnte …
»Sandra, bitte führen Sie mir doch die Kommissarin jetzt herein.«
Er drehte sich aus dem rückendynamischen Lederstuhl und kam hinter
seinem Schreibtisch hervor. Als die Tür aufging, begrüßte er seinen Besuch mit
Handschlag.
»Frau Kramer, so war doch der Name, nicht wahr? Tut mir leid, dass
Sie warten mussten. Manchmal verzögert es sich bei Gericht, da kann man nichts
machen. Aber wie ich gehört habe, hatten Sie ja Gesellschaft.«
Es fiel ihm schwer, sich zusammenzureißen und einigermaßen locker zu
wirken. Der Staatsanwalt heute Morgen im Gericht, den er schon lange kannte und
mit dem er auch per Du
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