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Pfefferbeißer - Harz Krimi

Pfefferbeißer - Harz Krimi

Titel: Pfefferbeißer - Harz Krimi
Autoren: emons Verlag
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Forsythienstrauch schlug. Die Haustür ging auf, Chao hatte
sie offenbar kommen hören. Sie stürmte an ihm vorbei.
    »Warum hast du nicht schon früher angerufen?«, rief sie ihm vorwurfsvoll
zu.
    Chao konnte nichts dafür, natürlich nicht. Sie hatte sich nicht im
Griff, war dem Heulen nahe. Wenn Torsten etwas passiert war, dann …
    »Ist er die ganze Zeit in seinem Zimmer geblieben?«
    »Ich weiß nicht …«
    Egoistisch war sie gewesen, einzig froh, dass die Verantwortung an
ihr vorübergegangen war. Und Torsten hatte sie alleingelassen.
    Sie hastete die Treppe hoch.
    »Torsten, sag was, geht es dir gut?«, rief sie außer Atem, ruckelte an
der Klinke und schlug mit der Faust gegen die Tür, dass es dröhnte.
    Keine Reaktion.
    Ihr fielen die Schlaftabletten im Bad ein, hatte sie überhaupt noch
welche? Sie riss den Hängeschrank über dem Waschbecken auf und fuhr einmal mit
der Hand durch die Unordnung. Ein Fläschchen mit Tinktur fiel ihr entgegen und
zerplatzte im Waschbecken. Als sie mit Bernie in Scheidung gelegen hatte, hatte
sie Schlaftabletten gebraucht, jeden Abend. Die waren stark genug, um …
    Weg! Oder hatte sie sie längst entsorgt?
    »Torsten, hörst du mich?«, schrie sie und schlug wieder gegen die
Tür.
    Ohne Antwort.
    »Wenn du nicht sofort die Tür aufmachst, trete ich sie ein!«
    Sie legte ein Ohr an das Schlüsselloch, konnte aber vor Aufregung
nur ihr eigenes Keuchen hören.
    »Wie lange hast du versucht, ihn zum Reden zu bringen?«, fragte sie
Chao, wieder in diesem vorwurfsvollen Ton, ohne es zu wollen.
    Er antwortete nicht sofort, erst als sie ihm einen hilfesuchenden
Blick zuwarf.
    »Ab und zu in den letzten zwei Stunden. Ich dachte, er sollte etwas
frühstücken. Aber ich habe auch gelesen und unten in der Küche gearbeitet.«
    »Könnte Torsten zwischendurch abgehauen sein, und du hast es nicht
bemerkt?«
    Achselzucken.
    Aber warum sollte er dann abgeschlossen haben. Das tat er nie. Sie
stand kurz vor dem Durchdrehen. »Ich trete jetzt die Tür ein, Torsten, hörst
du?«
    Was war hinter dieser Tür? Plötzlich produzierten ihre Augen kein
Bild mehr, und die Knie drohten nachzugeben. Doch dann riss sie sich zusammen,
brachte sich in Stellung – in dem Augenblick drang das harte
Schließgeräusch an ihre Ohren. Sekunden später das Quietschen des alten
Jugendbettes. Sie fühlte sich wie gelähmt, außerstande, einen klaren Gedanken
fassen. Erst als sich die Klinke feucht anfühlte, drückte sie sie langsam
hinunter.
    Torsten lag mit dem Gesicht auf dem Kissen. Sie näherte sich vorsichtig
dem Bett, zögerte zuerst, setzte sich dann aber zu ihm auf die Bettkante. Sie
bekam kein Wort heraus, Tränen überschwemmten sie. Fetzen der Schreckensvision,
dass sie an der Seite einer Leiche hätte sitzen können, geisterten quälend
durch die Leere in ihrem Kopf.
    Ihre Hand lag auf Torstens Rücken. Über eine Stunde lang blieb sie
so sitzen, schweigend. Chao, der noch eine Weile im Türrahmen gestanden hatte,
war verschwunden.
    ***
    Um vierzehn Uhr sechsundzwanzig schritt Fred de Groot
hinter den getönten Scheiben seines Büros im achten Stock des Firmengebäudes an
der Okerstraße die vier Minuten Zeit ab, die ihm noch verblieben. Um genau
vierzehn Uhr dreißig hatte er ein unangenehmes Telefonat nach Windsor zu
führen. Es war ihm nicht leichtgefallen nachzugeben. Er hatte auch nicht ganz
freiwillig nachgegeben. Am Ende hatte ihn sein Zwillingsbruder Henk dazu
gezwungen.
    Zuerst hatte Fred noch versucht, einen Kompromiss zu finden, hatte
mit Engelszungen auf Henk eingeredet, dass in Zukunft kein Cent mehr am
Finanzamt vorbeifließen würde, darauf könne er sich verlassen. Er ließe ihn
auch, mehr noch als bisher, an seinen geschäftlichen Plänen teilhaben, würde
sie vorher sogar mit ihm diskutieren, seine Meinung ohne Wenn und Aber
respektieren und sie in die Entscheidungen einbeziehen. Doch Henk war
kompromisslos geblieben. Er hatte gedroht, seine Anteile abzuziehen und den
Verkauf der Firma zu erzwingen, wenn er, Fred, nicht eine Selbstanzeige wegen
Steuerhinterziehung machen und sich aus dem schmutzigen Politikgeschäft
zurückziehen würde.
    Fred war es zuwider, Sandrock gegenüber unzuverlässig zu werden. Er
hörte ihn schon am Telefon schlucken, fassungslos.
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein, zwei Tage vor dem Entscheid«,
würde er stöhnen.
    Aber es war sein Ernst. Mit ihm würde es keine zweite Passage in der
Goslarer Fußgängerzone geben. Die Gefahr, dass derjenige,
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