Pfefferbeißer - Harz Krimi
sie ihr Brot in Windeseile
herunterwürgte – ohne Butter, in ihrem Abnehmprogramm gab es dafür keinen
Spielraum –, ließ Ralph sich Zeit und sparte nicht mit der ausgezeichneten
Erdbeermarmelade. Hausgemacht, wie die Wirtin versichert hatte.
»Beeil dich«, sagte Carla.
»Immer mit der Ruhe. Die Schauhöhle öffnet
erst um zehn.«
»Bis Rottleben sind es knapp dreißig
Kilometer. So langsam, wie wir mit den Fahrrädern sind, brauchen wir dafür drei
Stunden.«
»Meine Güte, wir haben Urlaub.«
Carla seufzte leise. Insgeheim bedauerte
sie es bereits, dass sie sich von Ralph zu diesem Urlaub hatte überreden
lassen. Einfach mal raus, hatte er gesagt und gleich darauf vom Thüringer Wald
geschwärmt. Eine Woche ohne Ärzte, es hatte verlockend geklungen. Ralph, der
wie sie Patient des Vogtland-Klinikums war, hatte die Planung übernommen, und
schon war das Zimmer im Waldidyll gebucht.
Sie kannten sich erst einige Wochen,
dennoch war Carla sich sicher, in Ralph den Mann fürs Leben gefunden zu haben.
Er war nett, gebildet und unterhaltsam. Und er sah gut aus. Er war schlank,
ohne hager zu wirken, dabei muskulös und überragte sie um einen Kopf. Wenn er
lachte, blitzten die Augen hinter seiner Brille. Dann wirkte er wie ein kleiner
Junge, unbeschwert und verschmitzt. Sie liebte ihn und hoffte, der Urlaub würde
nichts daran ändern. Und doch, seine stoische Ruhe machte sie nervös.
»Eine Radtour ist eine gute Gelegenheit,
die eingerosteten Glieder in Bewegung zu bringen«, sagte sie.
»Ich will mich erholen.« Ralph beugte sich
zu ihr und küsste sie auf die Nasenspitze.
»Klar, aber aktiv. Das sind wir uns
schuldig.«
Ein amüsiertes Lächeln kauerte in seinen
Mundwinkeln. Lachte Ralph sie etwa aus? Carla war im letzten Jahr
fünfunddreißig geworden. Trotzdem fühlte sie sich zu jung für schlaffe Muskeln,
Orangenhaut und einen Hintern, der sich der Erdanziehungskraft beugte. Wenn sie
nur erst die Kilos wieder herunter hätte, die sich während des
Klinikaufenthaltes auf ihren Hüften angesammelt hatten. Wollte sie Ralph
glauben, bildete sie sich die Speckröllchen nur ein. Doch sie glaubte ihm
nicht, auch wenn er noch so oft das Gegenteil beteuerte.
Ralph stand auf, und sie folgte ihm die
mit Teppichboden bespannte Treppe hoch in den oberen Stock. Ihr Zimmer war
hell, freundlich und überraschend groß. Ein Doppelbett dominierte die eine
Seite, über dem Kopfende »Der arme Poet«. Das Spitzweg-Bild gehörte wie »Das
Schokoladenmädchen« zum vertrauten Inventar. Dem Bett gegenüber standen ein
Tisch und zwei Stühle, daneben ein dreitüriger Kleiderschrank. Sogar ein Sofa
fand noch Platz, direkt neben der Tür, die in das kleine, sicher nachträglich
eingebaute Badezimmer führte.
Auf dem Sofa türmten sich ihre Koffer und
Taschen. Carla hatte noch keine Lust gehabt, sie auszupacken. Nur das
Notwendigste hing bereits im Schrank. Jeans, zwei Blusen und einige T-Shirts.
Ralphs Sachen hingegen waren säuberlich
gefaltet in den Fächern des Schrankes gestapelt. Er hatte darauf bestanden, sie
selbst einzuräumen. Insgeheim hatte Carla sich gefreut, dass Ralph so sorgsam
auf seine Sachen achtete. Ihr letzter Freund war das ganze Gegenteil gewesen,
ein klassischer Macho. Er hatte seine Klamotten immer wahllos hingeschmissen,
sodass ihre Hotelzimmer wie Wühltische gewirkt hatten.
Sie breitete die neu gekaufte Landkarte
auf dem Bett aus. Mit dem Zeigefinger fuhr sie eine Linie entlang. »Das ist die
Straße, die wir nehmen. Auf dem Rückweg halten wir uns links.« Ihr Finger
verharrte auf einem grünen Fleck, einem Waldgebiet unweit der Barbarossahöhle.
Ralph schaute gar nicht hin, und Carla runzelte die Stirn. Wortlos faltete sie
die Karte zusammen und verstaute sie im Rucksack.
»Bist du bereit?«
»Meinetwegen können wir starten.« Ralph
strich seinen Pulli glatt, sodass er sich über der Brust spannte, und lächelte
sie an.
Augenblicklich beschleunigte sich Carlas
Atem. Hätte er jetzt die Hand nach ihr ausgestreckt, wären sie mit Sicherheit
im Bett gelandet.
Doch Ralph schien nichts bemerkt zu haben.
Er schnappte sich den Rucksack, öffnete die Tür und ging voraus.
Die Wirtin hatte gesagt, die Fahrräder
würden sie in der Garage neben dem Haus finden. Ralph wählte aus der Gruppe
zwei Tourenräder und prüfte, ob die Reifen genügend Luft hatten.
An das gelb getünchte Haus, in dem die
Pension untergebracht war, schlossen sich zwei Garagen an. Rechts daneben stand
eine Scheune, die
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