Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
verunsichert und über den Tisch gezogen werden. Frag deinen Bruder, der ist doch Anwalt.«
»Ach, Goddi!«, schnaubte Paula. »Hast du wirklich nichts zu trinken?«
»Doch. Saft und Mineralwasser. Ich kann dir unten im Restaurant eine Cola besorgen.« Es lohnt sich immer, wenn die Gastronomie im Haus ist, dachte Katinka.
»Nein, danke.«
»Hast du den Vertrag mit?«
Paula schüttelte den Kopf.
»Ich konnte ihn nicht mal richtig lesen, so schnell hat Josef ihn mir unter der Nase weggezogen.«
»Paula, ich bin keine Juristin. Ich kann dich nicht beraten, wenn es um Verträge oder Geschäfte geht.«
»Das weiß ich schon«, erwiderte Paula und hob den Kopf. »Aber mir geht’s um was anderes.«
»Rede nicht drum herum. Was ist es?«
»Josef hat wirklich ziemlich Druck gemacht. Er ist mir auf die Pelle gerückt, von wegen ich würde schon sehen, wohin meine Verweigerungshaltung führt. Er hat mir echt Angst gemacht, Katinka. Ich bin quasi aus dem Haus geflohen.«
Stirnrunzelnd fragte Katinka:
»Hat Hagen solche Verträge normalerweise ohne dein Wissen unterschrieben?«
»Ich glaube nicht. Aber was weiß ich schon. Ich habe Geheimnisse. Er hatte Geheimnisse. In alle Details war ich sowieso nicht eingeweiht. Vor allem nicht in die finanziellen Geschichten. Buchhalter ist Josef Wertinger. Mich interessierte mehr die Kundenbetreuung, das Marketing. Damit habe ich mich beschäftigt. Josef meint, wenn ich nicht einwillige, würde Süßholz die Beziehungen über einen anderen Importeur nutzen, und wir würden in die Röhre gucken.«
»Ach, komm schon: Das sind Sprüche. Einschüchterungstaktik.«
Paula schüttelte den Kopf.
»Das Geschäft ist knallhart, Katinka. Wenn ich die Firma halten will, darf ich Süßholz als Kunden nicht verlieren. Hagens Mutter ist auch schon auf die Bildfläche getreten und verlangte, ich sollte Hagens Schwester an der Firma beteiligen. Aber Marie ist von morgens bis abends zugekifft. Sie weiß erst ab mittags um eins, wie sie heißt.« Paula goss sich noch ein Glas Saft ein. »Hagens Mutter kann wirklich auftreten. Scheiße scheiße scheiße.«
»Hast du mit der Polizei über diesen dubiosen Vertrag geredet?«
Paula verneinte.
»Warum nicht? Vielleicht hat dieser Süßholz kein so schlechtes Motiv!«
»Du glaubst doch nicht, dass Süßholz Hagen ermordet hat!«
»Ich glaube nichts. Ich frage mich nur so manches«, entgegnete Katinka. »Hätte Hagen diesen Vertrag unterzeichnet?«
»Angeblich wollte er es tun, aber dann wurde er ermordet.« Paula nagte an ihrer Unterlippe.
»Er wollte ihn unterzeichnen, hat es aber nicht getan«, sagte Katinka. »Das ist ein ziemlicher Unterschied! Sicher gab es dafür einen Grund, und wenn es nur der war, den Vertrag genau zu studieren.«
»Josef hat angeboten, mir die Firma abzukaufen. Ich wäre den Laden los. Könnte von vorne anfangen.«
»Willst du das?«
»Im Augenblick nicht. Ich will in Ruhe nachdenken. Vor allem will ich mir ein genaues Bild von der Firma machen, will wissen, wie sie gerade dasteht. Wie soll ich sonst rauskriegen, was sie wert ist?« Paula trank Saft. »Mit Süßholz haben wir in all den Jahren nur positive Erfahrungen gemacht. Alles, was er anleierte, lief blendend. Hagen hatte Vertrauen zu ihm. Im Geschäft ist Vertrauen alles, hat er immer gesagt.« Sie wischte die Tränen weg. »Scheiße, wer schießt Hagen ab wie ein Grillhähnchen?«
»Dieser Wertinger scheint ein immenses Interesse an der Firma zu haben!«
»Er hat keine Frau, keine Familie, nichts. Statt dass er in seinem leeren Haus herumhockt, verbringt er lieber so viel Zeit wie möglich im Geschäft. Er reist sogar auf eigene Kosten durch die Weltgeschichte, um Kunden zu akquirieren. Manche von seinen Trips fand ich allerdings überflüssig.« Paula kringelte sich eine Haarsträhne um den Finger. »Er war mal verheiratet, aber irgendwas ging schief. Er hat nie darüber gesprochen, nur dass er sich Vorwürfe wegen einer bestimmten Sache macht.«
Katinka hörte die Arbeitszimmertür klappen.
»Tom!«, rief sie. »Wir haben Besuch.«
Tom kam in die Küche.
»Das ist Paula Stephanus. Paula, mein Freund Tom«, erledigte Katinka die Vorstellung.
Die beiden nickten sich zu.
»Tut mir leid, was passiert ist«, sagte Tom zu Paula.
»Danke«, murmelte sie.
»Ich störe euch nicht lange«, fügte er hinzu. »Ich mache mir schnell eine Tütensuppe.«
»Knifflige Probleme?«, fragte Katinka.
»Kann man sagen.« Er füllte den Wasserkocher und beäugte
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