Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
argwöhnisch Paulas gewaltige Sporttasche. Katinka fing seinen Blick auf und deutete ein Schulterzucken an. Keine Ahnung, formten ihre Lippen. Tom mixte sich seine Minutensuppe und verschwand hinter seinen Rechner.
»Netter Kerl«, sagte Paula. »Den gibst du aber nicht auf, oder?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Katinka gereizt. »Was kann ich tun, Paula?«
Paula druckste herum.
»Ich weiß nicht, wie das bei Detektiven so läuft«, sagte sie dann. »Aber ihr beschützt doch auch Leute, oder?«
Katinka nickte.
»Ich hab Angst. Wenn ich mich in der Firma umsehe, will ich nicht ohne Begleitung hin.« Sie rieb sich die Augen. »Sag mir, was das kostet. Ich will nichts umsonst, das ist klar.«
Katinka fragte sich, ob Paula, erschüttert durch den Mord an Hagen, Gespenster sah.
»Wir können gleich zum Finanziellen kommen«, sagte Katinka. »Aber du solltest der Polizei von Wertinger und seinen Drohungen und von Süßholz’ Angebot erzählen. Dann können wir über alles andere reden.«
In den letzten Jahren war ihm mehr Zeit zur Verfügung gestanden, als er mit Sinn zu füllen sich imstande fühlte.
Nach einigen grauen Monaten, in denen er geblendet von den leeren Versprechungen der ihm aufgezwungenen Pharmaprodukte dahinvegetierte, absolvierte er ein ehrgeiziges Leseprogramm. Eine Weile befasste er sich mit den Lehrreden Buddhas, bis er bemerkte, dass er zu den Sutras keine Zuflucht nehmen konnte.
So war er zur Bibel zurückgekehrt.
Als er ein Kind war, hatte seine Mutter streng darauf geachtet, dass er sonntags zur Kirche mitkam. Damals hatte er sich auf die Lesungen gefreut, vor allem auf die aus dem Alten Testament. Das Neue erschien ihm trocken, eine dürre Essenz von unwahrscheinlichen Geschichten. Aber das Alte Testament entfachte ein Feuer in ihm.
Feueropfer, Feuersäule, Feuerofen, Brand und Schwefel. ›Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch. Eine Feuersäule führt die Israeliten durch die Wüste. Der Zorn Gottes lodert einem Feuer gleich. Feuer ist eine Macht, die alles durchdringt.‹ Die Bilder wuchsen in ihm wie Geschwüre. ›Das Feuer läutert und scheidet das Reine vom Unreinen.‹ Er wischte die Schweißperlen weg. ›Es kommt einer, der wird euch nicht mit Wasser taufen, sondern mit Feuer.‹ Er versuchte sich zu konzentrieren und vertiefte sich in die Offenbarung des Johannes. ›Der Tod und die Unterwelt wurden in den Feuerpfuhl geworfen.‹ Sein Atem ging schneller. ›Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuerpfuhl geworfen.‹
7. Paula
»Wie lange bleibt Paula?«, fragte Tom. Er streichelte Vishnu, der es sich auf seinem Kopfkissen bequem gemacht hatte und nicht die leiseste Absicht hegte, den Platz freizugeben.
»Sei nicht so ungnädig. Ihr Mann ist gerade ermordet worden.«
»Dramatisch genug«, gab Tom zu, »halte mich nicht für kaltherzig. Aber ich brauche wirklich Ruhe, um diesen Auftrag hinzukriegen!«
»Sie pennt heute Nacht in unserem Wohnzimmer, wo ist das Problem? Morgen begleite ich sie nach Hause und sehe mich um, bleibe vielleicht eine Nacht. Dann hat sich die Lage schon entspannt.«
»Und ich hatte gehofft, du würdest in der nächsten Zeit etwas entspannter sein.«
»Bin ich unausgeglichen?« Katinka setzte sich im Bett auf.
»Können wir nicht mal vernünftig reden?«, fragte Tom gereizt.
»Klar. Rede.«
Tom seufzte.
»Du willst mich nicht, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Du selbst hast es mir mal erklärt. Rückfragen deuten darauf hin, dass ein Verdächtiger aus dem Konzept gerät und der Ermittler dem Kern der Sache näher kommt.«
Ein kalter Wurm kroch in Katinkas Herz.
»Was meinst du denn damit!«
Er stopfte sich ein Kissen in den Nacken.
»Willst du mich jetzt heiraten? Oder nicht? Sei ehrlich!« Er strich ihr übers Haar. »Du weichst mir seit Monaten aus. Das kann’s doch nicht sein!«
Ich gehe unfair mit ihm um, dachte Katinka zerknirscht. Warum nur konnte sie bei der Vorstellung, den Mann neben sich zu heiraten, nicht in Begeisterung geraten? Irgendwo im Räderwerk ihrer Beziehung musste ein Rädchen angefangen haben, sich in die falsche Richtung zu drehen.
»Ich denke einfach, wir können auch ohne Trauschein zusammenleben. Es kommt doch nicht auf den Familienstand an.«
»Schon gut. Ich will doch nicht, dass du irgendwann aus Zermürbung ›ja‹ sagst. Aber deine Unentschlossenheit zeigt mir, dass du nicht sicher bist, ob du mich willst. Das tut weh.«
Katinka spielte mit ihrem Kissen
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