Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
stolperte zum Tisch und schnappte sich die Flasche. »War ein toller Abend. Danke für die Gastfreundschaft!« Sie winkte mit ihrem Glas und verschwand durch die Tür wie ein Spuk.
3. Pfeiltod
»Sagt mal, hat jemand Paula und Hagen gesehen?« Luisa sah ihre Kursteilnehmer über den abgegrasten Frühstückstisch hinweg an. Alle saßen sie da. Alle bis auf Paula und Hagen.
»Das Ehepaar turtelt noch im warmen Bettchen«, lästerte Suse.
»Dazu sind sie zu lange verheiratet«, kam es von Mareike.
Gekicher. Katinka verdrehte die Augen. Norbert bemerkte ihren Blick und schob verschwörerisch die Unterlippe vor.
»Wir sollten spätestens um neun aufbrechen«, sagte Luisa. »Ob mit oder ohne die beiden. Also dann, bis gleich. Ich muss noch ein paar Pfeile verarzten.« Sie ging.
»War eine längere Sitzung, gestern, oder?«, fragte Norbert und schenkte sich Kaffee nach. Er war der Älteste in der Runde und wirkte dabei so verschmitzt wie ein Lausebengel. Sein dunkles, ein bisschen zu langes Haar stand struppig um seinen Kopf, und die Hornbrille auf seiner Nase unterstrich den Eindruck, einen besonders munteren und gewieften Vogel zum Gesprächspartner zu haben.
»Bitte sag nicht, du hast dein Zimmer neben meinem.«
»Sagen wir mal so: Ihr hattet eine längere Diskussion über Männer, aber ich habe natürlich nichts gehört. Miaut er lautstark, der Kater?«
»Ich habe rechtzeitig aufgehört.«
»Paula wohl nicht.« Norbert lachte.
Katinka nickte ihm zu und ging in ihr Zimmer, um sich die Zähne zu putzen und die ungeliebte Brille gegen Kontaktlinsen auszutauschen. Sie verschmierte Gel in ihrem kurzen Haar, als es an der Tür klopfte.
»Herein!«
»Katinka?«
»Ach, Paula. Habt ihr verschlafen?«, rief Katinka aus dem Bad.
»Ich bin vor einer Viertelstunde aufgewacht. Und Bock zum Bogenschießen habe ich gar nicht.«
Hätte ich mir denken können, verkniff sich Katinka zu sagen.
»Hat einer von euch Hagen gesehen?«, fragte Paula.
»Nein! Wir dachten, ihr kuschelt noch.«
»Komisch.« Paula lehnte sich an die Badezimmertür und rieb sich die Augen. Sie trug Jeans und ein ausgeleiertes T-Shirt und sah ziemlich ramponiert aus. »Als ich aufwachte, war er nicht im Zimmer. Ich dachte, er wäre joggen gegangen. Macht er gern am frühen Morgen. Aber normalerweise wäre er um diese Zeit längst zurück.«
»Vielleicht ist er jetzt beim Frühstück.«
Paula schüttelte den Kopf.
»Ist er nicht. Ich war gerade unten.«
»Keine Sorge!« Katinka wusch sich die Hände. »In einem Dorf wie Lichtenstein gibt es nicht viele Möglichkeiten zum Untertauchen.«
»Trotzdem«, sagte Paula. »Es ist eigenartig.«
Katinka steckte ihren Autoschlüssel ein.
»Wir wollen pünktlich los«, sagte sie. »Kommt einfach nach.«
Paula folgte Katinka auf den Gang. Katinka sperrte ihr Zimmer zu, lief die Treppe hinunter und hinaus zum Parkplatz. Es war ein kühler, sonniger Herbsttag nach einer klaren Nacht, die ersten Raureif auf Dächern und Autos hinterlassen hatte. Hagens und Paulas Wagen stand neben dem Tor zum Biergarten, genau da, wo Hagen ihn am Tag zuvor abgestellt hatte.
»Wir fahren wieder zur Rauheneck«, rief Luisa und klemmte sich hinters Steuer. »Sind alle startklar?«
»Paula und Hagen kommen erst mal nicht«, sagte Katinka, während sie mit der Hand den Beschlag von ihrer Windschutzscheibe wischte. »Steigt bei mir ein.«
Mareike und Suse quetschten sich auf die Rückbank des Käfers.
»Klaustrophobie darf man hier auch nicht haben«, meckerte Suse.
»Nur kein Neid. So ein Cabrio ist ein tolles Auto«, sagte Norbert und klopfte auf das Verdeck.
»Katinka!« Paula kam um die Ecke gerannt. »Katinka, kann ich dich einen Augenblick sprechen?«
»Entschuldigt.« Katinka ging ein paar Schritte. »Was gibt’s?«
Paula zog sie durch den verwaisten Biergarten.
»Ich will nicht, dass die anderen was mitkriegen. Hagen ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Das ist Unsinn, Paula. Kann doch sein, dass er den Gruppenblues hat und einfach mal allein sein will.«
»Dann sagt er Bescheid oder schreibt einen Zettel.«
Katinka schob die Hände in die Jackentaschen. Das sagten die Angehörigen immer, wenn jemand verschwand. Mein Sohn würde doch nie einfach abtauchen. Meine Frau hinterlässt immer eine Nachricht. Aber dann stellte sich heraus, dass Verwandte und Freunde sich böse täuschten. Und am allermeisten Ehepartner.
Paula hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen. Sie bibberte in ihrem T-Shirt.
»Bitte,
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