Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
auf Sie verübt, kein Klacks.« Sie schnappte sich den letzten Schokokuss. »Aber wir wollen noch nicht an die Öffentlichkeit gehen, obwohl wir das üblicherweise schnell tun, um Hinweise zu bekommen. Wenn wir sein Bild in den Medien veröffentlichen, warnen wir ihn. Im Augenblick kann er sich noch in Sicherheit wähnen.«
»Falls er nicht längst über alle Berge ist. Im Ausland vielleicht. Außerdem wissen Sie doch nicht sicher, ob er Wertinger umgebracht hat.«
»Was wollte Kahl von Ihnen?«, fragte die Stein.
»Er sagte, ich sei schon viel zu nahe an sie herangekommen. ›An uns‹, sagte er. Sie sind also mindestens zu zweit.«
»Aber wer könnte der Zweite sein? Und wobei sind sie zu zweit?«
Katinka zuckte die Schultern. Ruth Stein seufzte.
»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als spätestens morgen die Unterlagen an die Presse zu geben. Wir treten wirklich auf der Stelle«, sagte sie. »Und Sie sollten vorsichtig sein. Kahl wollte Ihnen ans Leder. Wir haben gleich eine Sitzung«, sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Irgendeine undichte Stelle hat einem Journalisten ein paar delikate Details aus diesen Ermittlungen rübergeschoben. Ich hoffe nicht, dass Sie das waren?«
Überzeugt schüttelte Katinka den Kopf. Sie verließ das Gebäude mit dem guten Gefühl, nichts als die Wahrheit gesagt zu haben.
Draußen parkte Hardos Golf. Katinka überlegte einen Augenblick. Die Verlockung war groß, einfach auf ihn zu warten, aber sie würde der Situation nicht standhalten können. Stattdessen fuhr sie los und rief vom Auto aus bei Britta an.
»Na, wieder auf der Jagd nach dubiosen Verträgen?«, fragte Britta cool.
»Nicht direkt.« Katinka überlegte. »Sagt dir der Name Karl Süßholz was?«
»Aber sicher!« Britta lachte leise. »Der hatte mal ein Unternehmen in Bamberg. Irgendwas mit Strom.«
Katinka wurde sofort hellhörig.
»Was weißt du darüber?«
»Pfff, nicht viel. Er hat Hals über Kopf die Brücken hinter sich abgebrochen und irgendwo in Unterfranken neu angefangen.«
»In Schweinfurt«, schlug Katinka vor. »Das Unternehmen heißt Mesoltech , und der Vertrag, den du für mich hast checken lassen, war einer von denen. Aber weshalb hat Süßholz Bamberg verlassen?«
»Ich habe damals einen kleinen Beitrag für den Fränkischen Tag geschrieben«, sagte Britta beiläufig. »Es gab ein Gerichtsverfahren gegen ihn. Die Kollegin, die normalerweise bei Gericht schreibt, war krank.«
»Nun sag schon!«, rief Katinka ungeduldig.
»Süßholz hatte eine tschechische Dependance in Eger, auf tschechisch Cheb, mit dem klangvollen Namen MySun . Dort hat er angeblich Solarzellen verkauft, in Wirklichkeit war die Firma nur ein Briefkasten. Ich kriege die Geschichte nicht mehr richtig zusammen. Ich glaube, er hat offiziell Schulden gemacht, aber in Wirklichkeit doch gut Geld verdient.«
»Alles klar, Britta.« Katinka hatte es eilig. »Überprüfst du das? Ich bräuchte es…«
»…sofort. Ich weiß. Sei froh, dass ich schon beim Mittagessen war.«
Katinka spürte ihren Magen knurren.
»Danke dir«, sagte sie rasch. »Bist ein Schatz.«
Sie legte auf. Wollte nicht riskieren, dass Britta nach Tom oder Männern im Allgemeinen fragte.
Sie beschloss, dass es auf einmal mehr Fastfood nicht ankäme und nahm die Ausfahrt Schweinfurt/Hafen. Sie bestellte sich einen Hamburger und Pommes, bekam aber nur die Hälfte hinunter, als ihr Toms Bœuf Bourguignon einfiel. Konzentrierte sich auf Süßholz, den Mann mit der Waffe im Handschuhfach. Der so freundlich mit Wertinger geredet hatte, spät am Abend, im Büro. Vor über einer Woche.
Katinka nahm sich einen Pappbecher Kaffee mit und setzte sich in ihr Auto. Sie öffnete das Verdeck. Am frühen Nachmittag stach die Sonne beinahe. Sie hatte ihren Kaffee gerade ausgetrunken und knüllte den Becher zusammen, als ihr Handy klingelte.
»Britta?«, rief sie aufgeregt nach einem Blick aufs Display.
»Persönlich am Apparat. Du, die Sache mit Süßholz war so, wie ich es dir gesagt habe. Er hat mächtig Steuern hinterzogen. Hat behauptet, der Aufbau von MySun in Tschechien verschlinge Gelder ohne Ende. Er legte fingierte Rechnungen vor, die ihm befreundete Unternehmer ausstellten. Unerfreulich das alles, aber nicht sonderlich spannend. Allerdings gibt es eine andere Sache, die nur gerüchteweise kolportiert wurde: Süßholz soll in Organhandel verstrickt gewesen sein.«
Katinka stieg aus und warf den Kaffeebecher in den nächstbesten
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