Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
körperlich spüren. Sie war mit einem Schlag wach. Ohne eine einzige Tasse Kaffee zu trinken, hämmerte ihr Herz im Stakkato.
»Was?«, fragte sie zurück.
»Lenk nicht ab. Jemand hat dich mit einer Waffe bedroht. Wo steckst du schon wieder drin?«
Katinka seufzte und berichtete von Norbert, dem Schalldämpfer auf seiner Pistole, änderte aber wohlweislich ihren nächtlichen Besuch bei Marie ab. Hardo ging sparsam mit Hintergrundsignalen um, sodass sie ihn schließlich fragte:
»Bist du noch dran?«
»Allerdings. Mädchen, kann man dir diese Eskapaden eigentlich nicht abgewöhnen?«
»Ich mache meine Arbeit.« Katinka zupfte nervös rosa Hautfetzen von ihrer Brandwunde.
»Das ist deine typische Ausrede. Dann mach sie professionell, ohne dich in Gefahr zu bringen.«
Katinka stöhnte. »Können wir dieses Thema nicht einfach ausblenden?«
»Katinka, ich täte nichts lieber!«
Die unterdrückte Traurigkeit in seiner Stimme ließ ihr die Tränen in die Augen steigen.
»Ich passe schon auf«, flüsterte sie heiser. »Muss Schluss machen.«
Sie legte auf.
»Kapierst du nicht?«, empfing Katinka Cuno eine Stunde später in Paulas Küche. »Hier sind Ärzte am Werk. Ärzte. Leute, die Narkosen machen.«
»Anästhesisten«, half Cuno aus und eierte wie ein Schlafwandler auf die Kaffeekanne zu.
»Parasit!« Katinka nahm sie ihm ab und goss sich selbst einen Becher ein. »Wo bitte kommen Ärzte in unserem Fall vor?«
Cuno zuckte die Schultern.
»Hör mal«, sagte er, »meine Heuer ist definitiv rum. Denkst du, ich kriege die Kohle, wenn ich weitermache?«
Katinka funkelte ihn wütend an.
»O.k.«, knurrte Cuno und plättete die Strähnen, die aus seinem Pferdeschwanz spiekten wie Schaschlikspieße. Er roch ungeduscht. »Du leckst wohl immer Blut. Bist wahrscheinlich ein Werwolf oder so was. Umso besser, wenn ich mich aus dem Staub mache, bevor Vollmond ist.«
»Du bist doch komplett bescheuert!«, fuhr Katinka ihn an. »Gibst an wie ein nacktes Model. Du hast doch gar keinen neuen Auftrag! Weder in Bremen noch sonst irgendwo!«
Cuno sah sie aus zusammengekniffenen Augen an.
»Du weißt, wo das Bad ist«, redete Katinka weiter. »Du stinkst nämlich wie ein Iltis. Mach dich frisch, und dann unterhalten wir uns weiter.«
»Kindergärtnerin wäre kein schlechter Job für dich! Wahrscheinlich greifst du drauf zurück, wenn du pleite bist, so wenig, wie du darauf achtest, deine Kröten zusammenzuhalten.«
»Das Inkasso kannst du mir überlassen«, sagte Katinka müde. Sie hatte keinen Nerv, morgens um neun zu streiten. »Mach hinne, ich brauche deine Denke!«
Er zog ab. Katinka lauschte dem Plätschern von Wasser aus dem Bad und verdrängte den Gedanken, wie sie immer morgens im Bett gelegen hatte, während Tom unter der Dusche gestanden und Morgenlieder gepfiffen hatte. Vorbei. Schlussstrich. Sie verließ das Haus, um einzukaufen. Kam mit Brötchen und Aufschnitt zurück. Cuno stand auf dem Balkon in der Sonne und trank Kaffee.
»So was Verrücktes. »Die Wolken sind abgezogen. Wieder Sonne satt, als hätten wir immer noch Sommer.«
»Freu dich doch.« Katinka stellte ihre Sachen ab. »Dienstbesprechung, Kollege.«
Sie setzte ihm auseinander, was sie sich zusammengereimt hatte.
»Der Mord an Hagen hat nichts mit der Handelsagentur zu tun. Auch nicht mit den Fröschen. Das war eine kleine Nebeneinnahme«, sagte sie. »Der Hund liegt an ganz anderer Stelle begraben. Aber weder wir noch die Polizei haben der Mordwaffe ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt.«
»Vielleicht haben sie das doch und uns nicht eingeweiht.«
Daran hatte Katinka nicht gedacht.
»O.k., vielleicht. Was Hagen im Blut hatte, war ein Curarederivat: Tubocurarin. Das weiß ich sicher. Von Ruth Stein. Sie sagte, es sei die klassische Narkoseeinleitung. Wir haben es mit Leuten zu tun, die operieren. Chirurgen.«
»Glaub nicht, dass es was Besonderes wäre, wenn giftige Substanzen verschachert werden. In der Firma, wo ich mal gearbeitet habe, lagen die Strychninpäckchen wochenlang auf der Ablage und keiner hat sich dran gestört.«
In Katinkas Kopf begann es zu rumoren.
»Hagen ist nicht umgebracht worden, weil es um irgendetwas in seinem Job ging. Auch nicht in der Agentur. Import-Export, all das geschäftliche Chaos mit Wertinger–es hat nichts mit dem Mord zu tun.«
Cuno nickte bedächtig.
»Klingt logisch«, sagte er. Nach einer guten Portion Koffein schärfte sich sein Verstand messbar. »Wir hätten längst einen Gedanken
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