Pferdesommer mit Lara
das Wasser über den Kopf. Er sah nett aus, wie er dastand und lachte, während ihm das Wasser übers Gesicht lief.
Bonnie verfolgte eine Libelle, und als Arne ins Gebüsch verschwand, um zu pinkeln, wie er locker verkündete, zog ich rasch mein T-Shirt aus und wusch meinen verschwitzten Oberkörper.
Abends lag ich lange wach im Bett und sah mich selbst hinter Arne auf dem Gepäckträger meines Fahrrads sitzen und auf gewundenen Wegen durch die Felder und den Wald radeln, den warmen Sommerwind im Gesicht, während Bonnie glücklich neben uns herrannte.
Doch mehr als alles andere war mir in Erinnerung geblieben, was Arne im Gasthof zur Alten Mühle zu mir gesagt hatte: »Rikke, ich wüsste ein Pferd für dich.«
11
Nachts träumte ich wieder von Ronja.
Ich sah sie nur von Weitem, wie hinter einem Dunstschleier. Sie stand am jenseitigen Ufer eines Sees, und wir waren durch das Wasser voneinander getrennt, genau wie in dem alten Lied von den zwei Königskindern.
Ich kannte dieses Traumbild schon seit Langem. In den ersten Wochen und Monaten nach dem Unfall hatte ich Ronja oft so im Traum gesehen, verschwommen und fern, mit einem unüberwindlichen Hindernis zwischen uns.
Diesmal aber war der Traum nicht wie sonst. Neben Ronja stand, ebenso in grauen Dunst oder Nebel gehüllt wie sie, ein Pferd. Die Umrisse der beiden verschmolzen fast ineinander, so dicht standen sie beisammen.
Ich rief nach ihr, aber sie antwortete nicht. Um mich her war ödes, verlassenes Land. Es gab kein Boot, mit dem ich zu ihr rudern konnte, und der See war zu breit, um zu schwimmen. Ich lief am Ufer entlang, lief und lief, bis ich müde wurde. Meine Beine und Hände schmerzten, ich fühlte mich am ganzen Körper wie zerschlagen.
Dann wachte ich auf. Meine Hände taten wirklich weh, und meine Arme fühlten sich an, als wären sie zwischen eine riesige Zange geraten.
Mit geschlossenen Augen lag ich da. Meine Gedanken wanderten von Ronja zu Arne, als gäbe es eine geheime Verbindung zwischen ihnen. Was hätte meine Schwester über Arne gedacht? Hätte er ihr gefallen? Und hätte sie ihm gefallen?
Ronja war überall beliebt gewesen, jeder hatte sie gemocht. Mit Arne wäre es sicher nicht anders gewesen. Eigentlich hatte ich immer ein wenig in ihrem Schatten gestanden, aber es hatte mir nichts ausgemacht.
Ich hatte schon einmal an dem Tisch in der Alten Mühle gesessen, an dem Arne und ich die letzten beiden freien Plätze fanden. Damals war ich mit Ronja und meinen Eltern zusammen gewesen. Wir hatten den vierzigsten Geburtstag unseres Vaters gefeiert - drei Wochen vor Ronjas Unfall.
Arne hatte Salat und Pommes bestellt. »Ich esse keine Tiere«, sagte er, während er die Speisekarte durchsah, und das junge Paar, das mit uns am Tisch saß, wechselte einen erstaunten Blick.
Ich trank Unmengen Apfelsaftschorle, bis es in meinem Bauch zu gluckern begann. Die Pommes, die Arne für mich kommen ließ, vertilgte Bonnie bis auf drei oder vier. Trotzdem sagte Arne nicht, dass ich mehr essen sollte, obwohl ich eigentlich darauf wartete.
Er erzählte von sich und seinem bisherigen Leben. »Wir waren eine ganz normale Familie«, sagte er. »Und dann ist irgendwie alles auseinandergebrochen. Innerhalb von drei Monaten hat sich mein ganzes Leben verändert. Meine Eltern ließen sich scheiden, meine Mutter ging nach England und mein Vater erbte Eulenbrook von einem uralten Großonkel, an den wir schon gar nicht mehr gedacht hatten. Dann haben wir uns entschieden, hierherzuziehen. Elisa war dagegen, aber mein Vater und ich haben sie überstimmt.«
»Du wolltest es also?«
Eine Haarsträhne fiel ihm in die Stirn und er strich sie mit einer ungeduldigen Bewegung zurück. Seine sandfarbenen Augenbrauen trafen sich über der Nasenwurzel. Im Sonnenlicht glänzten die goldenen Pünktchen in seinen Pupillen.
»Ganz sicher war ich natürlich nicht. Einerseits wollte ich nicht so kurz vor dem Abi die Schule wechseln. Und ich hatte ein paar gute Freunde, die ich nicht verlieren wollte. Andererseits hatte ich das Gefühl, dass einfach etwas Neues angesagt ist. Du kennst das vielleicht. Und das Großstadtleben nervte mich schon lange. Ich wollte sowieso lieber auf dem Land leben. Es ging ja auch um die Tiere, Bonnie und die Pferde. Sie waren jahrelang so eingesperrt, das hat mir immer leidgetan …«
Mit einem Mal wusste ich, dass ich ihm Eulenbrook gönnte, ihm und den Tieren. Bei Elisa war ich nicht so sicher und seinen Vater kannte ich ja noch nicht. Doch
Weitere Kostenlose Bücher