Pferdesommer mit Lara
Nein sagte. Schlimmer als diese Gewissheit aber war die Vorstellung von Lara, der Stute, die ich doch noch gar nicht kannte - wie sie da in ihrer Box stand, hilflos und ausgeliefert, und wartete, was mit ihr geschehen würde.
Ich konnte wieder nichts essen und spürte den Blick meiner Mutter, der verstohlen und ängstlich auf mir ruhte. Plötzlich, als hätte mich jemand von hinten gestoßen, sagte ich:
»Ich wünsch mir ein Pferd.«
Als es heraus war, wunderte ich mich über mich selbst. Hatte ich das eben gesagt? Es war einfach so aus mir herausgesprudelt. Selbst meine Stimme kam mir fremd vor, gepresst und unnatürlich laut.
Mein Vater verschluckte sich am Kaffee und hustete krampfhaft. Mama starrte mich an, als hätte ich eben verkündet, dass ich Zwillinge erwartete.
»Wie bitte?«, murmelte sie.
»Ich wünsche mir ein Pferd, und zwar ein ganz bestimmtes.«
Schlagartig war ich total ruhig. Es war die gleiche Ruhe, die mich manchmal kurz vor Prüfungen überkam, eine Art Schicksalsergebenheit. Jetzt ist es passiert, dachte ich, jetzt muss ich da durch …
Mein Vater hielt sich die Serviette vor den Mund und sagte undeutlich: »Ach, nur ein Pferd, weiter nichts? Nicht vielleicht einen Sportwagen oder eine Weltreise?«
Sein Spott machte mir nichts aus. »Nein«, erwiderte ich. »Ein Pferd, nicht mehr und nicht weniger. Und es ist keine Spinnerei, falls du das denkst. Es ist mein voller Ernst.«
Mama starrte mich immer noch an, doch jetzt war etwas anderes in ihrem Blick. Erleichterung vielleicht? Oder so etwas wie Hoffnung? Möglicherweise war sie ja froh, dass ich mir endlich wieder etwas wünschte, seit es Ronja nicht mehr gab.
»Lass Rikke doch erst mal erklären«, sagte sie zu meinem Vater.
Er schüttelte den Kopf. »Wo willst du es halten? In unserem Vorgarten?«
Ich sah ihm direkt in die Augen, so lange, bis er wegschaute. »Dafür ist schon gesorgt. Ich hätte einen Stallplatz, der nichts kostet. Und auch eine Koppel, auf der sie weiden könnte.«
»Sie?«, fragte Mama.
»Ja, es ist eine Stute. Und sie braucht dringend Hilfe. Wenn ich sie nicht nehme, wird sie wahrscheinlich nicht mehr lange leben.«
»Das ist doch Unsinn!« Mein Vater wurde laut, wie immer, wenn er unsicher war. »Weshalb sollte dieses Tier ausgerechnet auf dich angewiesen sein? Pferde finden ihre Käufer, wenn sie nicht gerade alt und lahm sind. Oder ist es irgend so ein ausgedienter Droschkengaul, den keiner mehr haben will? Wer hat dir überhaupt diese Idee eingeredet? Dein neuer Freund, dieser Junge von Eulenbrook?«
Mama hüstelte warnend. »Wir wollen in aller Ruhe darüber reden«, sagte sie. »Hör dir an, was Rikke zu sagen hat. So unvernünftig ist sie nicht, dass sie sich irgendein krankes Pferd aufhalsen würde.«
Doch, so unvernünftig war ich. Aber das würde ich ihnen nicht sagen, sie hätten es nicht verstanden. Mein Vater stand auf.
»Du kannst noch nicht mal richtig im Sattel sitzen und willst schon ein Pferd. Das ist typisch für euch jungen Leute. Tut mir leid, ich muss jetzt in den Laden. Wir unterhalten uns heute Abend noch mal darüber. Aber ich finde wirklich, du solltest dir das aus dem Kopf schlagen, Rikke. Auch wenn du einen Stallplatz und eine Weide umsonst hättest, kostet es doch jeden Monat eine Stange Geld, ein Pferd zu halten. Von deinem Taschengeld kannst du das jedenfalls nicht bezahlen.«
Als er gegangen war, half ich meiner Mutter, den Tisch abzudecken und das Geschirr in die Spülmaschine zu stellen. Wir arbeiteten schweigend, bis sie schließlich sagte: »Es ist dir sehr wichtig, nicht?«
Stumm nickte ich.
»Vielleicht finden wir ja einen Weg«, murmelte sie. »Ich mache mir immer noch solche Vorwürfe, dass wir es damals nicht geschafft haben, euch den Reitunterricht zu ermöglichen. Ronja wollte es so gern.«
Ihre Stimme zitterte. Ich nahm sie in den Arm, drückte sie an mich und streichelte ihren Rücken. So hatten wir uns lange nicht mehr gehalten. Plötzlich wurde mir klar, dass ich mich während der letzten beiden Jahre immer nur um mich selbst und meinen eigenen Kummer über den Verlust meiner Schwester gekümmert hatte. Daran, dass auch meine Eltern darunter litten, besonders meine Mutter, hatte ich kaum jemals gedacht.
»Sie hat es verstanden«, sagte ich tröstend. »Sie wusste doch, dass ihr euch damals dauernd mit Geldproblemen herumgeschlagen habt.«
Dann saßen wir Arm in Arm auf dem Sofa, und ich erzählte ihr, was ich von Arne über Lara erfahren hatte. Warum
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