Pferdesommer mit Lara
einem Ausdruck von Trauer und tiefer Einsamkeit, den ich nie mehr vergessen sollte.
Obwohl Dr. Jansen direkt vor der Halbtür stand, beachtete ihn Lara nicht. Sie hatte den Hals zur Seite gedreht und sah an seiner Schulter vorbei auf mich, als hätte sie mich erwartet.
15
Lara stand auf schmutzigem Betonboden in einer engen, säuerlich riechenden Box, in der sie sich kaum umdrehen konnte. Arne führte sie ins Freie. Erst jetzt bemerkte ich, wie mager sie war. Ihr Fell wirkte struppig und war voll trockener, verkrusteter Stellen.
Dr. Jansen streckte eine Hand aus, damit sie ihn beschnuppern konnte, doch sie wich zurück, schnaubte und starrte ihn furchtsam an. »Ich tu dir doch nichts, Mädchen!«, versicherte er sanft. »Sieh mal, ich hab dir was mitgebracht …«
Er zog eins von den Pferdepellets aus seiner Hosentasche, wie ich sie selbst vor Kurzem gekauft hatte, aber sie nahm es nicht. Nur von Arne ließ sie sich berühren. Sie schien ihn wiedererkannt zu haben und ihm zu vertrauen.
»Der alte Stromberg ist ziemlich brutal mit ihr umgegangen«, erklärte Jule. »Für ihn war sie bloß eine Reitmaschine. Seitdem hat sie Angst vor Männern. Er hat sie einfach nur benutzt und sie musste parieren. Ich bin froh, dass sie endlich in andere Hände kommt.« Und sie sah mich forschend von der Seite an.
Dr. Jansen besah sich die verkrusteten Stellen in Laras Fell genauer. »Das dürfte Glatzflechte sein«, murmelte er. »Vermutlich hat sie auch ab und zu Juckreiz. Araroba sollte da helfen, in einer Potenz von D 30 vielleicht.«
Lara beobachtete ihn mit angelegten Ohren und rollenden Augen, als erwartete sie, jeden Augenblick geschlagen zu werden. Arne hielt sie fest, flüsterte ihr beruhigende Worte zu und kraulte eines ihrer Ohren.
»Ist es schlimm?«, fragte ich. Meine Stimme zitterte, mein Herz schlug bis zum Hals.
Dr. Jansen schüttelte den Kopf. »Ich denke, wir können sie mit einem sanften homöopathischen Mittel behandeln. Außerdem braucht sie endlich Bewegung in frischer Luft. Wenn sie auf einer schönen Koppel stehen kann, wo Licht und Luft an ihre Haut kommen, ist das in Verbindung mit dem richtigen Futter die beste Medizin. Eine Entschlackungskur mit Kräutern aus Wacholder, rotem Wiesenklee, Löwenzahn und Petersilie wäre auch noch gut. Den Tee gibt man ins Futter. Ich schreibe euch das aber alles noch genau auf, wenn ihr wollt.«
»Mit ihren Hufen stimmt auch etwas nicht«, murmelte Arne. »Das rieche ich. Es könnte Strahlfäule sein.«
Strahlfäule! Das klang übel. Ich erschrak bei dem Gedanken, Laras Hufe könnten von einer Krankheit befallen sein, die nicht mehr heilbar war, einer Fäulnis, die sich immer tiefer in das Horn fraß und irgendwann bis auf die Knochen ging.
Jule drängte sich zwischen uns und redete mit der Stute. Vor ihr schien Lara kaum Angst zu haben. Vielleicht vertraute sie Frauen mehr als Männern. Sie ließ es zu, dass Jule ihr ein Bein nach dem anderen hochhob, sodass Dr. Jansen ihre Hufe untersuchen konnte, während Arne Lara weiter fest hielt und ihren Hals streichelte.
Inzwischen war mir fast übel vor Anspannung. Ich ließ die Stute nicht aus den Augen. Ihre Angst und Hilflosigkeit lösten in mir eine Art Mutterinstinkt aus, den Wunsch, sie zu beschützen und aus diesem dunklen Loch herauszuholen. Ich wollte sie an einen Ort bringen, wo sie endlich unter besseren Bedingungen leben konnte.
Nach ein paar Minuten, die mir wie eine halbe Ewigkeit erschienen, richtete sich der Tierarzt auf und sagte: »Ja, es ist tatsächlich beginnende Strahlfäule. Sie musste jahrelang auf diesem Betonboden stehen, sicher oft in ihrem eigenen Mist. Das hält der beste Huf nicht aus. Aber es ist noch nicht zu spät, etwas dagegen zu unternehmen. Salben aus Zinkoxid, Zinkchlorid und destilliertem Wasser helfen für gewöhnlich recht gut. Und dann natürlich ein sauberer Stall, viel Bewegung und Weidegang im Sommer.«
Er murmelte noch etwas von Bandagen und einem Mittel, das Kreosotum hieß, aber ich war inzwischen zu aufgeregt, um noch richtig hinzuhören.
»Es ist also heilbar?«, hörte ich mich mit gepresster Stimme fragen.
»Sicher. Aus Lara kann wieder ein schönes, gesundes Tier werden, wenn sie gut gehalten und versorgt wird. Sie ist ja mit ihren sieben Jahren noch jung. Die seelische Komponente ist auch von großer Bedeutung - dass sie endlich ohne Furcht leben kann und liebevoll behandelt wird. Schließlich haben auch Tiere eine Seele, die krank werden kann und dadurch
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