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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Isbel
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vielleicht eine Fügung des Schicksals, wie Arne später meinte.
    Arne selbst traf sich an diesem Nachmittag mit ein paar Leuten aus seinem Leistungskurs, um eine Gemeinschaftsarbeit in Physik vorzubereiten - neben Mathematik sein »bestgehasstes Fach«, wie er sagte. Ich machte die Entdeckung, dass ich ihn vermisste, als ich mit seinem Vater und Frau Friedrun durch Eulenbrooks Garten zur westlichen Pforte ging.
    Der Garten war unverändert geblieben, ein Stück Land, das die Natur sich zurückerobert hatte - mit flechtenüberzogenen, knorrigen Bäumen, Brennnesselfeldern, Brombeergestrüpp, dunklen Eiben und undurchdringlichen Hecken. Überall sangen Vögel im Verborgenen. Falter gaukelten zwischen den Gräsern und Hummeln brummten in den Blüten der Fingerhüte. Es roch nach Erde und sonnenbeschienenen Rosen.
    »Was für ein paradiesischer Garten!«, sagte Frau Friedrun und sah sich begeistert um. »Gehört das alles Ihnen?«
    Sie war eine zierliche Frau mit erstaunlich blauen Augen, die einen reizvollen Kontrast zu ihrem dunklen Haar bildeten. Ihr Alter konnte ich nur schwer schätzen, sie mochte vierzig sein, vielleicht auch fünf Jahre jünger oder älter. Ihre Hände waren ungewöhnlich kräftig, und mir fiel auf, dass sie sich überhaupt nicht geschminkt hatte. Ein Geruch nach Pferden und Zitronenseife umwehte sie.
    »Ja«, sagte Herr Theisen. »Wir haben Eulenbrook geerbt. Den Garten möchten wir weitgehend so lassen, wie er ist, und nur da eingreifen, wo es unbedingt nötig ist, damit die Brennnesseln und Brombeeren nicht alles überwuchern.«
    »An den sonnigen Stellen sollten Sie die Brennnesselfelder aber stehen lassen, da legen die Admirale und Tagpfauenaugen ihre Eier ab.«
    Er lächelte ihr zu. »Natürlich. Darauf werden wir achten, ich verspreche es Ihnen.«
    Aus dem alten Gutshaus drang höllischer Lärm. Jemand arbeitete mit einem Bohrer, Bodenfliesen wurden zersägt und irgendwo wurde durchdringend gehämmert. Die Fassade war noch immer von einem Gerüst umgeben. Auf dem Dach kletterten zwei Männer herum. Ein Arbeiter stand in einer Staubwolke und klopfte den Verputz von der Mauer.
    Ich wandte den Blick ab und dachte, dass das nicht mehr das Haus war, in dem Ronja und ich so viele Stunden verbracht hatten, unser Dornröschenschloss. Es war aus seinem Schlaf gerissen worden und eines Tages würden die Theisens ihren Wohnwagen verlassen und dort einziehen. Jetzt aber kam mir das alte Haus seltsam hilflos und ausgeliefert vor, wie ein gestrandeter Wal, in den sich eine Schar kleiner Haie verbissen hat.
    Bonnie schoss aus dem Gebüsch hervor und sprang um uns herum, wobei sie ihre Pfoten tapsig in die Luft warf. Herr Theisen erzählte, dass ihre Mutter eine reinrassige Labrador-Hündin war, dass aber keiner wusste, welche Rasse der Vater gehabt hatte. Frau Friedrun meinte, es könnte ein Schäferhund gewesen sein.
    »Schwimmt sie gern?«, fragte sie.
    »Ja, sie ist eine totale Wasserratte, wie alle Labradore.«
    Dann erkundigte sich Frau Friedrun nach meiner Stute. Ich erzählte ihr, dass Lara viele Jahre im gleichen Reitstall verbracht hatte wie die Pferde der Theisens, in einer engen Box mit Betonboden, in die nie ein Sonnenstrahl gedrungen war, und dass ihr Besitzer sie vernachlässigt hatte und grob mit ihr umgegangen war.
    »Doktor Jansen hat beginnende Strahlfäule bei ihr festgestellt«, sagte ich. »Und sie hat Glatzflechte. Aber das ist schon viel besser geworden, seit sie in Eulenbrook lebt.«
    »Die Stute hat große Angst vor Männern«, warf Herr Theisen ein. »Deshalb haben wir für die Behandlung auch nach einer Frau gesucht. Ich hoffe, sie lässt sich ohne größere Probleme von Ihnen untersuchen.«
    Frau Friedrun schien sich keine Sorgen zu machen. »Ich habe Erfahrung mit schwierigen Tieren«, sagte sie. »Sie ahnen nicht, wie viele Pferde durch die Dummheit und Brutalität von Menschen verstört und verdorben sind. Es ist nicht leicht, ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Und die seelischen Wunden, die ihnen zugefügt werden, haben meistens auch körperliche Krankheiten zur Folge. Seele und Körper sind ja eins. Deshalb ist eine ganzheitliche Behandlung so wichtig, sowohl bei Tieren als auch bei uns Menschen. Es nützt nicht viel, an einem bestimmten Symptom herumzutherapieren, wenn die Ursachen viel tiefer liegen und unbeachtet bleiben.«
    Herr Theisen nickte und lächelte. »Damit rennen Sie bei mir offene Türen ein. Ich bin ganz Ihrer Meinung.«
    Lara stand auf ihrem Lieblingsplatz,

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