Pferdesommer mit Lara
im Schatten zwischen den Haselnusssträuchern. Ihr Hinterteil war schon wieder voller Kot, obwohl ich morgens vor der Schule noch gekommen war und sie abgewaschen hatte. Arnes Vater blieb beim Gatter zurück. Frau Friedrun ging jetzt sehr langsam, obwohl sie bisher ein ziemliches Tempo vorgelegt hatte. In einigem Abstand von Lara hielt sie an, hob den Kopf, witterte wie ein Jagdhund und sagte: »Der Durchfall riecht faulig.«
Ich starrte sie an. »Ist das wichtig? Riecht denn nicht jeder Durchfall gleich?«
Sie schüttelte leicht den Kopf. »Nein, durchaus nicht. Durchfälle können ganz unterschiedlich riechen, je nach Ursache. Und der Geruch ist wichtig, wenn man herausfinden will, woher die Darmprobleme kommen.«
Lara stand mit leicht gespreizten Hinterbeinen da, hatte die Muskeln angespannt und den Hals zur Seite gedreht. Ein Schwarm Fliegen surrte um ihr Hinterteil und ihren verklebten Schweif. Als wir uns näherten, schnaubte sie und bewegte nervös die Ohren. Alles an ihrer Haltung verriet, dass sie bereit war zu flüchten.
»Schönes Mädchen!«, murmelte Frau Friedrun. »Keine Angst, ich tu dir nichts. Wir wollen nur mal sehen, was mit deiner Verdauung nicht stimmt … Nur ruhig, Mädchen, ganz ruhig!«
Ihre Stimme war weich und sanft. Sie ließ mich vorausgehen, achtete aber darauf, dass sie nicht durch mich verdeckt wurde, damit Lara jeden ihrer Schritte beobachten konnte. Ich wertete es schon als Erfolg, dass meine Stute nicht wegrannte oder zurückwich, sondern weiter stehen blieb, während Frau Friedrun vorsichtig den Arm ausstreckte und Lara eine Hand unter die Nase hielt, damit sie ihren Geruch aufnehmen konnte. Dabei redete sie noch immer mit leiser, liebevoller Stimme.
In Laras Augen sah ich die Furcht und Unsicherheit, die sie empfand. »Alles okay!«, versicherte ich. »Dir passiert nichts. Ich bin ja da, sei ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung.«
Jetzt legte Frau Friedrun die Hand auf Laras Hals, ganz leicht nur, strich ihr über den Nacken und fühlte mit der anderen Hand den Puls. Lara zuckte ein wenig zurück, wurde starr, merkte dann aber offenbar, dass die Berührung der fremden Frau freundlich gemeint war und keine Schmerzen verursachte.
Während Frau Friedrun halblaut zählte, wich die Anspannung langsam aus Laras Körper. Ihre Nase sank ein Stück nach unten. Nur ihre Flanke zuckte noch immer.
Frau Friedrun sah ihr in die Augen und strich dann über die Muskeln an Laras Schulter, drückte sanft darauf und fuhr mit den Fingerspitzen über die Stelle neben der Mähne, wo die schorfigen Spuren der Glatzflechte zurückgeblieben waren. Dann trat sie ein paar Schritte zur Seite und sah sich die Kotpfütze an, die sich nicht weit von Laras Hinterbeinen im Gras gesammelt hatte. Sie kniete davor nieder und kam mit dem Gesicht so nahe heran, dass ich dachte, sie würde ihre Nase gleich in die braune Soße stecken.
»Gelblich und wässrig«, murmelte sie. »Hm. Fauliger Geruch … Wann ist sie zum letzten Mal entwurmt worden?«
»Vor zwei Wochen«, sagte ich.
Sie griff in ihre Tasche, zog ein Fläschchen und einen Holzspatel daraus hervor und strich etwas von Laras Dung in das Fläschchen. Dann stand sie auf und sagte: »Ich glaube, ich weiß, was es ist. Aber ich nehme die Kotprobe sicherheitshalber mit. Wenn wir Glück haben, werden die beiden Mittel, die ich dir für sie gebe, recht schnell wirken. Ruf mich doch bitte heute Abend noch an und sag mir, ob die Durchfälle aufgehört haben. Dann können wir uns die Kotuntersuchung sparen.«
»Wollen Sie kein Blut abnehmen?«
Sie schraubte das Gläschen wieder zu. Ihre porzellanblauen Augen erinnerten mich an eine dieser kostbaren alten Gliederpuppen. In seltsamem Kontrast dazu stand ihr kurzes, jungenhaft geschnittenes Haar.
»Vorerst nicht. Ich denke, den Stress mit der Blutabnahme brauchen wir ihr nicht anzutun. Falls die beiden Mittel nicht wirken, sehe ich mir die Kotprobe genauer an, und wenn wir damit nicht weiterkommen, haben wir immer noch die Möglichkeit, den Eiweißgehalt im Blut zu untersuchen.«
Sie zog eine Ledermappe hervor, in der viele kleine Glasfläschchen steckten. Sie nahm zwei davon und schüttete jeweils ein paar von den weißen Kügelchen, die ich schon durch Dr. Jansen kannte, in zwei winzige Papiertüten.
»Davon gibst du ihr heute Nachmittag drei mal fünf, alle zwei Stunden. Insgesamt soll sie heute also noch jeweils fünfzehn Globuli bekommen. Dann müssten die Durchfälle aufhören. Weißt du, wie du es
Weitere Kostenlose Bücher