Pferdesommer mit Lara
möchte dich meinem Vater vorstellen, wenn du nichts dagegen hast.«
Er lächelte. »Klar hab ich nichts dagegen. Allerdings sind meine Hände nicht besonders sauber.«
Als die Kundinnen den Laden verließen, ging ich mit Arne zum Ladentisch zurück. Mein Vater schob seine Lesebrille auf die Stirn.
»Papa, das ist Arne Theisen«, sagte ich.
Arne wischte seine rechte Hand an der Seitennaht seiner Jeans ab. »Tut mir leid, ich komme gerade von der Pferdekoppel. Man riecht es sicher meilenweit. Ich bin der Typ, der Rikke überredet hat, Lara zu kaufen.«
»Hast du nicht!«, sagte ich. »Du hast es mir nur vorgeschlagen. Entschieden hab ich es selbst.«
Mein Vater legte das Gesicht in freundliche Falten. »Hallo«, sagte er. »Das ist schön, dass ich Sie mal persönlich kennenlerne. Wir haben in letzter Zeit viel von Ihnen gehört, meine Frau und ich.«
»Hoffentlich nichts Übles.«
Papa schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht, im Gegenteil. Und es ist auch sehr nett von Ihnen, dass Sie unserer Tochter Reitunterricht geben.«
»Ich tu’s gern.«
Damit war die Vorstellung beendet. Arne verabschiedete sich. Wir waren beide erleichtert. Ich brachte ihn wieder zur Tür und sagte: »Danke, bis später.« Und er lächelte sein verstecktes Lächeln und ging.
»Er scheint ja recht nett zu sein. War er lange da?«, fragte mein Vater, sobald sich die Tür hinter Arne geschlossen hatte.
»Nein, er wollte mir nur rasch etwas wegen Lara sagen und Filme kaufen. Ich hätte auch keine Zeit gehabt, mich länger mit ihm zu unterhalten, falls du das meinst. Hier war allerhand los.«
»Das dachte ich mir schon, man sieht es an den Einnahmen. Du hast gute Geschäfte gemacht. Und die beiden Kundinnen eben waren auch zufrieden.« Er strich mir mit der Hand über die Schulter. »Hoffentlich war’s nicht zu stressig für dich so ganz allein.«
»Es ging«, sagte ich. »Bis auf einen Mann, der unbedingt Passfotos haben wollte.« Ich erzählte ihm die Story von dem wutschnaubenden Typen. »Vielleicht beschwert er sich ja noch über mich.«
»Das soll er ruhig tun.« Mein Vater lachte, was selten bei ihm vorkam. »Es gibt schon manchmal komische Käuze unter den Kunden!«
Er zog seine Brieftasche heraus und gab mir Geld für die Stunden, die ich ausgeholfen hatte; mehr, als mir eigentlich zustand. »Die restliche halbe Stunde schenke ich dir«, sagte er. »Du kannst verschwinden.«
So gut hatten wir uns lange nicht mehr verstanden. Ich war so froh und erleichtert, dass ich beinahe den Zettel vergaß, den Arne beim Telefon zurückgelassen hatte. Im Laden wollte ich nicht telefonieren, denn mein Vater mochte es nicht, wenn von seinem Geschäftstelefon unnötige Privatgespräche geführt wurden. Deshalb ging ich zur nächsten Telefonzelle und wählte die Nummer, die Arne neben den Namen »Friedrun« gekritzelt hatte.
Eine warme, sympathische Frauenstimme meldete sich. Es war Frau Friedrun selbst. Ich erklärte, dass ich ihre Telefonnummer von Dr. Jansen bekommen hatte.
»Meine Stute hat Durchfall. Sie ist sowieso viel zu mager. Ich hab sie erst seit einigen Wochen. Sie ist nicht sehr gesund und außerdem total schreckhaft. Heute war schon ein Tierarzt da, Doktor Eisner, aber sie hat ihn nicht an sich herangelassen.«
Sie notierte sich meinen Namen, meine Telefonnummer und die Wegbeschreibung nach Eulenbrook. »Morgen Nachmittag hätte ich Zeit«, sagte sie. »Irgendwie werden wir das schon hinkriegen; deine Stute ist nicht das erste ängstliche Pferd, das ich behandle.«
Wir verabredeten, dass ich um zwei Uhr am Tor von Eulenbrook auf sie warten sollte. Noch hatte ich sie nicht gesehen und nur ein paar Worte mit ihr gewechselt. Trotzdem spürte ich, dass sie genau richtig für Lara war.
4
Dr. Eisner hatte vierzig Euro für seinen Besuch und das Medikament verlangt. Ich gab Arne das Geld zurück; es war genau die Summe, die ich am vergangenen Tag im Laden verdient hatte.
Ich beschloss, Lara die Tabletten vorerst nicht zu geben, sondern auf Frau Friedrun zu warten. Herr Theisen und Arne waren der gleichen Meinung.
»Lara ist sowieso schon stark angeschlagen, man sollte sie nicht noch zusätzlich mit Chemie belasten«, sagte Herr Theisen. »Vielleicht weiß die Tierheilpraktikerin ein besseres Mittel. Ich will sie mir mal ansehen. Wenn sie gut ist, soll sie zukünftig auch Bonnie und unsere Pferde behandeln.«
So kam es, dass Herr Theisen mit dabei war, als Frau Friedrun zum ersten Mal in Eulenbrook erschien; und das war
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