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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Stunden verlangte es ihn nun nicht nach den Mädchen, sondern nach ihr, der Frau. Er drang in sie, schnell und machtvoll, wie es ihm seit ein paar Jahren nur die Gunst des Morgens erlaubte, und sie nahm ihn auf, mit sattem, gelöstem Gesicht und samtigen Gliedern, die sich anfühlten, als seien sie einzig und allein für die Liebe geschaffen.
    Seitdem hatte sie es immer wieder einzurichten gewusst, dass blutjunge Geschöpfe ihre Liebesnächte begleiteten und bereicherten, mal ein Mädchen, dann wieder zwei, einmal sogar drei auf einmal. Es war nicht aus Susanna herauszubekommen, woher sie sie bezog, denn keine von ihnen blieb lange, schon damit er sich nicht, wie Jan heimlich unterstellte, an sie gewöhnen konnte.
    »Ein Mann wie du braucht eben Abwechslung«, wich Nana lachend und geschickt aus. Ob Datini dahintersteckte, wie er bisweilen vermutete, der die Badehäuser in seinem Heimatland plünderte? Mehr als eine der Gespielinnen hatte Italienisch gesprochen, was seinen Verdacht bestärkte, aber keinen weiteren Aufschluss bot. Wie aber kam der Karwertsche an solch kostbare menschliche Ware? Und was fing er mit den Mädchen an, nachdem sie ihrer überdrüssig geworden waren? Letztendlich konnte es ihm egal sein. Susanna sorgte dafür, dass er bekam, wonach er sich immer gesehnt hatte. »Frische Körper, neue Gesichter, Brüste schwer wie Melonen, dann wieder knospend wie Äpfelchen. Was sollen Namen und Stammbäume? Ist doch gleichgültig, wer sie sind, woher sie stammen! Sie dienen einzig und allein deiner Lust, Geliebter! Und so soll es bleiben.« Sie gurrte. »Solange du willst!«
    Ein aufregendes Spiel, das sie da trieb, und ein gefährliches noch dazu. Aber Susanna Tarlezzo blieb bei allem dennoch die Siegerin. Mochten die Schenkel der anderen auch noch so weiß, die Haut auch noch so samtig, die Schreie noch so kehlig sein, er kehrte jedes Mal umso lüsterner wieder zu ihr zurück, begierig, sich in ihr zu verströmen, als sei sie die Hüterin des einzig wahren Schatzes. Die Mädchen gerieten mehr und mehr zur Staffage, zum schmückenden Beiwerk, zur Untermalung, kaum anders als der Fischrogen, den er inzwischen schüsselweise zu sich nahm, weil er angeblich die Virilität förderte, oder der Rheinwein, dem er eifriger als früher zusprach, um richtig in Stimmung zu kommen. Mehr und mehr verfing er sich in dem unsichtbaren Netz, das Nana ausgeworfen hatte und immer fester verschnürte. Manchmal beherrschte sie seine Gedanken schon so vollständig, dass es Jan van der Hülst schwerfiel, sich noch auf seine Geschäfte zu konzentrieren. Dann empfand er jeden Augenblick, den er nicht bei ihr verbringen konnte, als Verlust, was ihn übellaunig und schwer erträglich für seine Umgebung machte.
    Ähnlich war es auch, als das Tauffest der kleinen Elisabeth anstand, die seine reizlose Schwiegertochter Veronika ihrem Rutger nun endlich geboren hatte. Ein Blick auf das jämmerliche Bündel genügte, um Jans Urteil ein für alle Mal festzuschreiben. Ein Mädchen, was an sich schon ärgerlich genug war, und ein schwaches noch dazu. Insgeheim war er überzeugt, dass die Natur ihren Lauf nehmen und dieses kränkliche Geschöpf ohnehin die nächsten paar Wochen nicht überleben würde. Folglich hätte ihm seiner Ansicht nach eine rasche Nottaufe wesentlich besser angestanden. Dann wäre auch all der Aufwand vermeidbar gewesen, den die beiden stolzen Eltern betrieben: das Hochamt in Sankt Gereon nebst abendlichem Festmahl im Hause van der Hülst, eher zu ihrer eigenen Ehre als der des jungen Kindes, für das jedoch natürlich kein anderer als er zu bezahlen hatte.
    Außerdem beschäftigten ihn ganz andere Probleme, die ihn ebenfalls von den gewohnten Stunden der Lust abhielten. Es gärte in Köln, weil der Innere Rat per Dekret die Fleischer gezwungen hatte, ihre Ware ab sofort nach Gewicht und nicht mehr wie bisher »nach der Hand« zu verkaufen. Die Fleischerzunft, die sich um bewährtes Einkommen geprellt fühlte, hatte in aller Form dagegen protestiert; die Ratsherren jedoch, müde der ständigen Beschwerden über falsche Gewichte und unrechte Preise, waren entschlossen, keinen Deut nachzulassen. Es hieß, die Fleischer würden ebenfalls nicht klein beigeben. Was daraus entstehen konnte, wusste niemand so recht; aber es gab seit Tagen nächtliche Unruhen vor dem Bürgerhaus, wo sich Zunftgenossen in großer Zahl versammelten, um lauthals ihrem Ärger Luft zu machen. Zu weiteren Ausschreitungen war es bislang gottlob noch

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