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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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tagtäglich hungern. »Und wir? Unser weniges wollen sie uns auch noch nehmen. Aber lasst euch das nicht gefallen. Er soll bluten - so wie wir bluten müssen!« Wie zur Bestätigung ließ er einen dicken roten Klumpen auf den Ern klatschen.
    »Beruhigt euch!« Jan van der Hülst spürte, dass sich trotz aller Einwände das Blatt zu seinen Gunsten gewendet hatte. Es waren schließlich brave Gesellen, die hier so frech eingedrungen waren - und keine Wegelagerer. »Nur so könntet ihr Erfolg haben. Ich bringe euer Anliegen noch einmal vor den Rat. Darauf habt ihr mein Wort! Und jeder hier in Köln weiß, was das wert ist.«
    Die Fleischer schauten unschlüssig vom einen zum anderen. »Und unter welcher Bedingung?«
    »Dass ihr mein Haus sofort verlasst. Und eure Kumpane daran hindert, sich an den Häusern anderer Ratsherren zu vergreifen. Dann wollen wir die Angelegenheit ganz schnell vergessen. Kommt mir jedoch etwas Derartiges zu Gehör, kann ich für nichts garantieren. Also, was ist?«
    Sie besprachen sich halblaut, und er sah, wie viele murrten und Widerworte fanden. Schließlich jedoch schien sich der Pockennarbige durchzusetzen, den er offenbar überzeugt hatte. Nach einer Weile zogen sie tatsächlich ab, nicht ohne wüste Drohungen auszustoßen, sollte van der Hülst sich nicht an sein Versprechen halten. Der Letzte schlug mit dem Holzschuh, wie sie alle Metzger in der Stadt trugen, noch einmal fest gegen die Tür.
    Dann war der Spuk vorüber.
    Der Hausherr verzog angeekelt den Mund. Für den Augenblick war die Gefahr gebannt. Er würde Sorge tragen, dass es so schnell nicht wieder zu solch einem Vorfall kommen konnte. Denn wie man mit solchen aufsässigen Gesellen umzugehen hatte, wusste er. Ein paar knappe Befehle, und schon machte sich das Gesinde daran, in Haus und Hof den Unrat zu beseitigen. Jetzt wagten sich auch die Feigsten nach draußen, nur Bela blieb am Tisch sitzen, das Gesicht in beide Hände gestützt.
    »Welch ein Auftritt!« Jan leerte einen großen Humpen Wein in einem Zug. Dann bückte er sich, um zwischen die Tischbeine zu schauen, wo er Felix in Sicherheit vermutete. Keine Spur von dem blonden Lockenkopf. »Wo ist mein Sohn?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Bela matt. »War er nicht bei dir?«
    »Wo ist das Kind?« Jetzt bellte er die Mägde herbei, die sich in einer Kammer verkrochen hatten. »Trine! Gusta! Wo ist mein Sohn?«
    Alle rannten umher, treppauf, treppab, öffneten Truhen, Schränke, Verschläge, aber sosehr sie sich auch bemühten und anstrengten, der Kleine war nirgendwo.
    »Der findet sich schon wieder«, entfuhr es schließlich Rutger, der sich nach nichts so sehr sehnte wie nach seiner weichen Bettstatt, die er, wie er glaubte, sich heute besonders redlich verdient hatte. »In Luft aufgelöst wird er sich ja kaum haben!«
    Jan fuhr wütend zu ihm herum.
    »Das wagst du zu sagen, ausgerechnet du ? Du hast ihn doch gehasst seit dem Tag seiner Geburt, anstatt dich um ihn zu sorgen, wie es einem älteren Bruder anstünde. Weil er dir im Weg ist! Weil du fürchtest, er könne all meine Gunst erlangen und du beim Erben leer ausgehen. Scher dich zum Teufel, Rutger! Sein kleiner Finger ist mehr wert als dein fetter Leib und dein leeres Hirn dazu! Sollte ihm etwas zugestoßen sein, dann …« Er hielt inne, unfähig, weiterzusprechen. »Keiner geht zu Bett«, sagte er schließlich gepresst. »Keiner! Das ist ein Befehl. So lange, bis wir Felix gefunden haben.«
    Sie suchten überall, im Haus, im Hof, auf dem Speicher. Durchkämmten mit Kienspänen die stillen Gassen, leuchteten in jede Ecke. Mutlosigkeit begann sich breitzumachen.
    »Und wenn die Fleischer ihn gestohlen haben?« Belas Haar stand zerzaust um ihren Kopf. Die Lippen zitterten. Sie war unsanft aus ihrem Rausch erwacht. Erst jetzt schien ihr wirklich bewusst geworden zu sein, was geschehen war. »Wenn sie ihn quälen? Oder töten? Man hört so schreckliche Dinge, die sie mit kleinen Kindern anstellen!«
    »Schweig, du dummes, altes Weib!«, befahl Jan grob. »Kein Wort will ich mehr davon hören. Und wenn sie ihn haben, dann gnade ihnen Gott! Sie werden sich noch sehnlichst wünschen, nur die Fragstatt wäre ihr Schicksal.«
    Es dämmerte schon, als sich alle wieder im Haus einfanden. Jeder hielt den Kopf gesenkt; keinem war nach Reden zumute.
    »Und jetzt?« Rutgers Stimme klang ganz kleinlaut.
    Niemand antwortete.
    »Habt ihr schon im Brunnen nachgesehen?« Veronika wusste, in welche Gefahr sie sich damit begab. Aber

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