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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht deutlicher werden?«
    »Die Fleischer!« Die Stimme des Küchenmeisters war dünn vor Angst. Mächtige Stöße ließen das Gebäude erzittern. Dann sprang mit einem lauten Knall die Haustür auf. »Da sind sie! Sie nennen es die Nacht der blutigen Messer. Sie stürmen die Häuser der Richerzeche. Alle! Und Eures soll das Erste sein. Keiner wird ihnen entgehen. Keiner!«
    Ein paar der Frauen schrien auf, die Männer am Tisch begannen durcheinanderzureden. Bela presste sich die Hand vor den Mund und stierte blindlings, als sei ihr letztes Stündchen schon jetzt gekommen. Ihr Gatte dagegen fand sehr schnell seine Fassung wieder.
    »Niemand verlässt diesen Saal«, befahl er. »So wird Euch kein Leid geschehen. Und du«, er wandte sich an Rutger, der wie versteinert auf seinem Stuhl saß, »kommst mit mir. Wir werden denen schon zeigen, wer hier Herr im Haus ist.«
    Gleich im Vorraum stolperten sie über einen Haufen Innereien. Angeekelt hob Jan seinen blutigen Stiefel.
    »Schafft mir das Kroppzeug weg!«, ordnete er den Mägden an, die sich schreckensbleich an die Wände drückten. »Das hier ist ein ehrenwertes Haus und kein Schweinekoben!«
    Da erhielt er den ersten Stoß in den Bauch. Ein junger Fleischer war es, mit wutverzerrtem pockennarbigem Gesicht.
    »Du willst uns umbringen?«, schrie er. »Du sorgst dafür, dass unsere Kinder nichts zu fressen haben? Dann fährst du mit uns zur Hölle!«
    Hinter ihm drängten weitere herein, die eine blutende, halb ausgeweidete Sau mit sich schleppten. Auch Rutger bekam ein paar Hiebe ab, er duckte sich, erheblich weniger geschmeidig als sein Vater, der seinem Angreifer mehr als das zurückgab, was er von ihm hatte einstecken müssen. Es ging nicht ohne Krach ab, ohne kräftige Flüche. Inzwischen hatten sich auch die Männer des Gesindes eingemischt, und zwischen Schweinebacken und Gekröse entspann sich eine üble Rauferei.
    Die Tür zum Saal sprang auf, die Gäste, halb aus Neugierde, halb aus Angst, strömten herbei. Einige suchten das Weite, schon aus Furcht, was zur gleichen Zeit in ihren eigenen Häusern geschehen mochte, andere mischten sich beherzt in das Handgemenge ein. Die Ersten strauchelten, wanden sich auf dem Boden, wo das vergossene Tierblut sie besudelte, andere wieder ergriffen die Bratenzinken und versuchten, die Fleischergesellen damit zu rammen. Rutger wehrte sich mit einem silbernen Kerzenleuchter nur mäßig erfolgreich gleich gegen zwei Feinde.
    Jan van der Hülst schließlich gelang es, sich Gehör zu verschaffen. Er erklomm einen Schemel, packte den dicksten Spieß und schwang ihn nach allen Seiten durch die Luft wie ein unerschrockener Bärentöter.
    »Haltet sofort ein - sonst werdet ihr es bitter bereuen!« Seine Stimme war tief und voll. Wenn er Angst hatte, so verstand er es, sie nicht zu zeigen. Außerdem genügte es in der Regel, den Anführer zu überzeugen. Als die Weber vor ein paar Jahren gegen zu niedrige Löhne gemeutert hatten, war er nicht anders verfahren. Deshalb starrte er dem Pockennarbigen fest ins Gesicht. »Ich weiß ein Dutzend guter Gründe!«
    Ein paar der Gesellen machten den Anschein, als wollten sie sich gleich auf ihn stürzen. Immerhin hielt der Anführer der Rotte inne.
    »Nennt mir nur einen Einzigen!«
    »Das will ich gerne tun. Weil das, was ihr hier anstellt, eure Lage wesentlich verschlechtert. Seid ihr ehrbare Handwerker oder ein wüster Räuberhaufen? Wer soll euch noch ernst nehmen, nachdem offenbar geworden, was ihr heute hier und anderswo angerichtet habt?« Seine Argumente zogen. Er sah es an ihren Mienen, in denen sich nun Wut mit Betroffenheit und Angst mischte. Die beste Gelegenheit, um den Köder auszuwerfen! »Ihr verlangt, dass der Rat sich noch einmal mit dem erlassenen Dekret befasst, weil ihr euch ungerecht behandelt fühlt? Nun an - ich könnte mich für eure Forderungen bei den anderen Ratsherren einsetzen!«
    »Glaubt ihm kein Wort. Er ist ein dreckiger Lügner wie alle aus der Richerzeche!«, schrie ein Fleischer aus der zweiten Reihe, ein bulliger Mann mit schadhaften Zähnen.
    Hinter ihm stand einer mit halb verhülltem Gesicht, der Jan irgendwie bekannt vorkam. Eine Erinnerung blitzte kurz durch sein Gehirn, war jedoch zu unbestimmt, um sie richtig zu fassen. Außerdem duckte sich der Mann, als er seinen Blick bemerkte, und machte, dass er ganz nach hinten kam, wo ihn die Häupter der anderen verbargen.
    »Sie haben alles«, keuchte ein Dicker, der nicht gerade aussah, als müsse er

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