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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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so leidenschaftlich zugleich. Wenn er sie küsste, erschien ihm ihr Mund kühl und süß, wenn er ihre nackten Hüften berührte, hatte er die Empfindung, zu schmelzen. Dann begehrte er nicht nur sie, sondern mit ihr das ganze weibliche Geschlecht. Sein Herz begann zu hämmern, und er spürte den Boden unter seinen Füßen nicht mehr.
    War das noch Jan van der Hülst, ein Mann in mittleren Jahren, den die Gicht schon dann und wann gezwackt hatte, Vater zweier nahezu erwachsener Söhne, Mitglied der Richerzeche, Ratsherr und bestellter Schöffe, der ein florierendes Handelshaus leitete, von seinen Konkurrenten beneidet und gefürchtet wurde und sich in halb Europa zu Hause fühlte?
    In Nanas Gegenwart war er einzig und allein Mann, alterslos, ein Begehrender, Liebender, Geliebter, der ihre Himmelspforte küsste, ihre Brüste stundenlang hingebungsvoll liebkoste, um dann wieder in ihr zu rasen, bis sie wie tot dalag und Tränen in ihren lächelnden, zerküssten Mund rannen. Er war verrückt nach ihr, liebte alles an ihr. Ihre Schultern und die großen, schmalen Füße, die rosigen Brustwarzen, die sich unter seinen Berührungen wie dunkle Rosetten zusammenzogen. Ihre weißen Schenkel und das lockige Fell ihrer Scham. Einen Zauber hatte sie über ihn geworfen. Ein Liebesnetz, in dem er sich immer unentrinnbarer verfing. Er war süchtig danach, ihr Gefangener zu sein. Er konnte es kaum abwarten, tief und immer noch tiefer in diesen süßen Abgrund zu stürzen, den kleinen Tod, wie ihn schon die Alten weise genannt hatten, in ihren weichen Armen wieder aufs Neue zu erleiden.
    Nur mit Mühe gelang es ihm, sich von den sehnsuchtsvollen Bildern zu lösen. Bela stand noch immer vor ihm, mit hängenden Schultern. Geschlagen, schoss es ihm durch den Sinn, als ob ich sie auf dem Gewissen hätte. Er begann sich unwohl zu fühlen, wollte nur noch eines: dass sie ging und ihn endlich allein ließ.
    »Nun gut«, sagte sie auf einmal und straffte sich. Wenn sie wollte, konnte sie größer wirken, als sie war, und jetzt legte sie es offenbar darauf an. »Ich nehme deine Entscheidung zur Kenntnis, Jan, aber ich akzeptiere sie nicht. Außerdem ist es bis zum nächsten Frühjahr noch lange hin, und vieles kann inzwischen passieren.«
    Er wusste nicht, was er antworten sollte. Woher nahm sie auf einmal ihre Haltung? Ihre Sicherheit? Hatte sie einen Hinterhalt im Sinn? Plante sie etwa eine Verschwörung gegen ihn?
    »Ja, ich weiß, dass du mich verabscheust«, sagte sie zu seiner Verwunderung. Hatte sein Gesicht ihn verraten? Oder konnte sie tatsächlich Gedanken lesen, wie er es schon früher befürchtet hatte? »Dass du dir wünschst, ich sei endlich tot und mein gesamtes Vermögen in deiner Hand, zum freien Schalten und Walten. Aber unterschätze mich nicht, Jan. Ich bin nicht irgendeine deiner namenlosen Huren, die nichts außer ein paar Handvoll rosigen Fleisches zu bieten haben, ich bin Bela de Huggenrode! Frans, mein Vater, war nicht nur einer der reichsten Männer von Brügge, sondern auch einer der klügsten. Ihn hast du nicht getäuscht. Er hat dich von Anfang an durchschaut, und er hat beizeiten dafür gesorgt, dass seine Tochter ebenfalls lernt, vorsichtig zu werden. Selbst wenn es eine ganze Weile gedauert hat.«
    Sie trat auf ihn zu, und er musste sich beherrschen, nicht zuzuschlagen. Früher war ihr Mund lockend und voll gewesen, jetzt lag staubiges Violett auf ihren Lippen. Im letzten Winter hatte sie abermals zwei Zähne verloren. Kaum vorstellbar, dass er diese welke Frau jemals voller Inbrunst geküsst hatte!
    »Ich lebe.« Leiser, aber unhörbarer Triumph schwang in ihrer Stimme. »Ich habe deine Bosheit und alle Leiden der letzten Jahre überstanden und bin noch lange nicht alt, egal, was deine angeekelte Miene auch sagen mag. Das sind die Tatsachen. Falls mir jedoch schon sehr bald etwas zustoßen sollte«, sie vollzog eine anmutige Bewegung mit ihrer Hand, an dem noch immer der große Saphir steckte, mit dem er vor langen Jahren ihre Verlobung besiegelt hatte, »ob Unfall, Gebrechen oder anderes Ungemach, bekommst du ernsthafte Schwierigkeiten. Und keine einzige Mark.«
    »Du versuchst, mir zu drohen? Hast du den Verstand verloren, Weib?«
    »Keineswegs. Ganz im Gegenteil. Glücklicherweise lauert zwischen meinen Schenkeln kein hungriges Tier wie zwischen deinen, das niemals zur Ruhe kommt.«
    Sie warf einen anzüglichen Blick auf seine kurzschößige, taillierte Jacke, die ein ganzes Stück über dem Schritt endete

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