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Pforten der Nacht

Titel: Pforten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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dem hölzernen Schiff entgegen, das ihnen vom Rheinufer entgegenschwankte.
    »Yih!« Ein wilder, ekstatischer Schrei, höher und durchdringender als das dumpfe Krakeelen aus Männerkehlen. »Yeh!«
    »Die wilden Weiber!«
    Sie liefen vor dem Schiff einher, ein Haufen Frauen, schwitzend, halb nackt. Manche von Ruß geschwärzt, andere mit Beerensaft gerötet. Busen wogten, Arme flogen, bloße Schenkel. Hinter ihnen der plumpe Schiffsleib auf seinen Holzrädern, an Seilen von kräftigen Männern gezogen. Er wusste, was es darstellen sollte. Anna hatte es ihm erzählt. Die Fruchtbarkeit, die im Herbst zu Schiff das Land verlässt und im Frühjahr vom Wasser ans Land zurückkehrt. Ein uralter heidnischer Brauch, den die Kirche hasste, gegen den sie aber machtlos war.
    »Auf sie! Lasst sie nicht entkommen!«
    Leben kam in die Menge, Bewegung, Aufruhr. Die Burschen stoben auseinander, umkreisten einzelne Frauen, versuchten, sie auf die Seite und in Hausflure und dunkle Höfe zu drängen. Jetzt waren die Weiber Krongeld schuldig, wollten sie entkommen, Küsse, derbe Liebkosungen, oftmals mehr, je nachdem, an wen sie gerieten.
    Anna, schoss es ihm durch den Kopf, als er mit zwei anderen in einem Hoftor eine kreischende Frau umringte, die nichts dagegen zu haben schien, die Schenkel für jeden Maskenträger breit zu machen. Ich muss mich vorhin getäuscht haben! Sie ist zu Hause in dieser Nacht und damit in Sicherheit.
    Abgestoßen, aber gleichzeitig wie gebannt blieb er stehen und sah dem zu, was die Männer mit ihr trieben. Die Holzmasken lagen auf dem Boden, die Mäntel hatten sie trotz der Kälte abgeworfen. Der eine war jung, der andere ein feister Graubart mit Hängebacken und abgearbeiteten Händen. Sie kniffen ihr Fleisch, wühlten in ihrem Leib. Willen-, ja beinahe teilnahmslos ließ sie alles geschehen. Speichel rann über ihr Kinn, als sie von beiden Seiten in sie drangen, die Augen glasig, als habe sie zu viel Branntwein erwischt.
    »Und was ist mit dir?« Die anderen hatten nach Befriedigung ihrer Gier von ihr abgelassen. Sie war so betrunken, dass sie Schwierigkeiten mit dem Sprechen hatte. »Schon bedient? Oder vielleicht ein Kostverächter?«
    Sie kam ihm so nah, dass er ihren üblen Atem riechen konnte. Aus der Nähe sah sie alt und derb aus.
    »Da hat einer wohl eher Appetit auf unberührtes Frischfleisch, was!«, grinste der ältere der beiden Kumpane. »Ich dagegen bin nicht so anspruchsvoll. Also, wenn du einstweilen noch einmal mit mir vorliebnehmen willst …«
    Er drückte sie auf den Boden und bestieg sie abermals roh.
    Sie wandte den Kopf zur Seite und spuckte in Esras Richtung aus. Ihre Brüste waren runzlig und flach. Sie musste viele Kinder gesäugt haben, mehrfache Mutter, wenn nicht schon Großmutter sein. Wieso war sie nicht zu Hause, dort, wo sie in solch einer Nacht eigentlich hingehörte? Er musste an Recha denken. Und an die anderen Matronen des Judenviertels. Keine von ihnen hätte sich von fremden Betrunkenen so berühren lassen. Keine Einzige. Ganz kurz stieg Mitleid in ihm auf. Gemischt mit Abscheu.
    »Sollst verflucht sein, verdammter Saubär«, lallte sie. Sein Ausdruck musste ihn verraten haben. »Und lendenlahm dazu. Bis ins siebte Glied. Wie die verfluchte Judenbrut. Ins Höllenfeuer mit dir! Dorthin, wo der Teufel höchstpersönlich wohnt!«
    Sie kicherte haltlos. Grölend fielen die Männer ein.
    »Das ist gut. Das mit dem Glied ist wirklich gut! Hast du noch mehr solche Zaubersprüche auf Lager, Weib?«
    Angewidert wandte Esra sich um und riss die Maske von seinem Gesicht.
    »Lasst die Juden in Ruhe! Was wisst ihr schon von ihnen? Keine Ahnung habt ihr!« Nur weg hier - auf der Stelle! Wie hatte er nur so blind sein können? So vernagelt? Er war keiner von ihnen. Und er würde niemals einer von ihnen werden. »Ihr ekelt mich an. Ihr seid doch nichts als ein Haufen brünstiger Schweine!«
    Er kam nur ein paar Schritte weit.
    Ein Schatten. Schnelles Atmen.
    Und dann zerbarst der irdene Krug hart auf seinem Schädel.
     
    Der graue Wolf hatte sich nach einem kurzen Techtelmechtel im Stroh ebenfalls längst abgesetzt. Die Frau war jung gewesen und willig dazu, aber schmutzig und roh. Sein Fleisch schwieg befriedigt, die Sehnsucht in ihm aber loderte, brennender und unbedingter als zuvor. Nicht einmal während der wortlosen Vereinigung hatte er die Maske abgenommen, und inzwischen drückte sie lästig auf sein Gesicht, aber er konnte und wollte ihren Schutz nicht missen. So behende,

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