Pforten der Nacht
das wissen?
Sie nickte.
»Antworte gefälligst!«
»Ja«, flüsterte sie. »Ja.«
»Gut. Kluges Mädchen!« Er wandte sich an seinen Begleiter: »Willst du zuerst?«
»Kannst ruhig anfangen«, gab der großzügig zurück und zog Anna die Beine weg.
Jetzt lag sie unter ihm und drückte die Schenkel so fest zusammen, wie sie nur konnte. Der Boden war hart und kalt. Nässe drang bis auf ihre Haut. Zu schreien wagte sie nicht mehr. Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Ihr Peiniger riss den Rock in Fetzen und versuchte, sie zu besteigen. »Kleine Wildkatze!« Er hatte ihren Arm zu früh losgelassen. Ein langer Kratzer verunzierte seine Wange. »Dir werd’ ich’s zeigen, warte nur!«
Er schlug ihr hart ins Gesicht. Linke Wange, rechte, ein paarmal kurz hintereinander. Ihr Ohr fühlte sich taub an. Die Kräfte drohten zu erlahmen, und die Verzweiflung wurde schier übermächtig. Wenn sie jetzt nicht um Hilfe rief, war sie verloren. Und wenn sie schrie, würde er sie töten.
Anna nahm all ihren Mut zusammen. »Johannes! Wo bist du? Johannes!«
Gellend drang ihre Stimme durch die stillen Gassen.
Er ohrfeigte sie abermals, brutaler als zuvor, und sie fürchtete schon um ihre Zähne, als sie überraschend von der Last seines Körpers befreit war.
Ein dumpfer Schrei. Dann Stille.
Die Männer versuchten sofort einzudringen. Es waren nur vier, doch sie waren offenbar angetrunken und zu allem entschlossen. Einer gab Recha einen ungeduldigen Stoß, um die Tür freizubekommen, die anderen drängten von hinten nach.
»Geld her!«, schrie ein Hagerer mit eingefallenen Wangen.
»Vielleicht ist auch Silber im Haus! Lasst nichts aus! Schaut in alle Truhen!«
Zwei waren maskiert; die anderen beiden zeigten unbekümmert ihre Gesichter. Wer sollte sie schon zur Rede stellen, nachdem sie lediglich ein paar Juden in Angst und Schrecken versetzt hatten?
Jetzt hatten sie das Mädchen entdeckt. »Holla - wer sagt es denn?! Hier, meine Freunde, ist noch ganz andere Beute zu holen!«
Grunzendes Lachen. Dann sprang einer zu Lea, packte sie und drückte ihre Gurgel zu. Ein anderer hielt Jakub von hinten umklammert.
»Jetzt wirst du dich sicherlich erinnern, wo dein Geld versteckt ist, dreckiger Jude«, rief er. »Und mach schnell, das rat ich dir! Meine Hände können ganz schön ungeduldig werden!«
Recha sprang wütend auf ihn zu, aber kräftige Arme hinderten sie daran.
Ein Wolf stand in der Tür, ein grauer Wolf mit blutigem rotem Maul. Schneeflocken glitzerten auf seinem Mantel. Eine große Keule schwang er in der Hand. Die andere hielt er hinter seinem Rücken verborgen. Das war nicht die Art von Spaß, die er gesucht hatte. Nicht in diesem Haus. Nicht mit den Menschen, die es bewohnten.
»Lasst das Mädchen los und macht, dass ihr wegkommt!«, forderte er.
»Verschwinde lieber selber!«, riefen die Männer ihm entgegen. »Wir waren schließlich zuerst da! Such dir zum Melken gefälligst deinen eigenen Juden!«
»Haut ab, und zwar sofort!«
Seine Stimme war tief, aber ruhig. Gefährlich ruhig. Er sprach sehr langsam, wählte jedes seiner Worte mit Bedacht.
»Und weshalb?«, gab der zurück, der Lea gefangenhielt. Sie röchelte, so fest hatte er sie im Würgegriff. »Wenn wir uns schon mal dieses Haus ausgesucht haben!«
»Nicht dieses Haus! Geht meinetwegen nach nebenan, wenn ihr schon plündern wollt. Hier fasst ihr mir nichts an.«
»Wieso sollten wir auf dich hören?«, kam es aufsässig zurück. »Es sei denn …«, er verzog sein Gesicht, aber es war alles andere als ein fröhliches Grinsen, »… du wohnst vielleicht auch hier? Und bist selber einer dieser Beutelschneider?«
»Weil ihr sonst im heißesten Höllenfeuer braten werdet!«
Die andere Hand des Wolfs schnellte nach vorn. Sein Fuß gab der Tür einen Stoß. Jetzt saßen sie in der Falle. Eine glühende Fackel, die er an den hölzernen Boden hielt. Die anderen hatten nur gedroht, er aber schien tatsächlich ernst machen zu wollen.
»Macht euch davon, sonst brennt ihr alle im Nu wie Zunder!«
Als einer der Männer noch immer grunzte, senkte er sie tiefer. Begierig begannen die Flammen zu lecken.
Recha hielt vor Schreck den Atem an. Leas Augen weiteten sich angstvoll. Die Männer waren verstummt.
Blitzschnell hatte der Wolf seinen Mantel abgestreift und auf das Feuer geworfen, um es zu ersticken. Nur für den Bruchteil eines Augenblicks sah das Mädchen die blassen, blauen Streifen an seinem Arm. Recha nur einen Lidschlag später.
Aber da
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