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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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»Das … das ist so verdammt unfair, Emma!«
    Ich folgte ihr mit den Augen – und begriff im selben Moment, dass sie mich nur ablenkte. Gerade wollte ich herumwirbeln, aber da war es schon zu spät.
    Havens Arme schlossen sich von hinten um meinen Oberkörper. Ich begann zu toben, ihn zu beschimpfen, Emma anzuflehen, aber er war um ein Vielfaches stärker als ich. Mit Leichtigkeit hob er mich vom Boden und schleppte mich zur Seitentür neben dem Aktenschrank.
    »Tun Sie ihr bitte nicht weh«, sagte meine Schwester.
    »Emma!«, brüllte ich.
    »Es ist das einzig Vernünftige. Wenn du versuchst, mich aufzuhalten, dann sterben wir alle. Du und auch Tyler.«
    Sie öffnete vor uns die Tür. »Tut mir leid«, sagte sie, als ich für einen Augenblick vor Angst um sie sogar meine Gegenwehr vergaß.
    Haven schleuderte mich ins Dunkel.
    »Nicht wehtun«, sagte Emma noch einmal. »Wir schließen sie nur ein, bis –«
    Havens Faust traf mich von hinten an der Schläfe und ich verlor das Bewusstsein.

45.
    Schmerzen weckten mich.
    Nicht nur meine Schläfe tat weh, sondern auch mein Ohr, als wollte etwas daraus hervorschlüpfen, das sich gerade durch meinen Schädel nach außen grub.
    Um mich war es stockfinster.
    Mit einem Stöhnen wälzte ich mich vom Rücken auf den Bauch. Wo war die Tür? Mit steifen Gliedern versuchte ich, auf alle viere zu kommen. Wie lange hatte ich so dagelegen? Möglicherweise nur ein paar Minuten, vielleicht aber auch viel länger.
    »Emma?«, brachte ich krächzend hervor und bekam keine Antwort.
    Der Druck in meinem Kopf entwickelte sich zu einem höllischen Pochen. Es wurde nicht besser, als ich ihn anhob und in alle Richtungen blickte. Haven hätte mich töten können, wenn er das gewollt hätte. Aber er wollte mich nur aus dem Weg haben, damit er Emmas Unterstützung nicht verlor.
    Ich rief noch einmal ihren Namen, doch er kam nur röchelnd über meine Lippen. Mein Kopf schien explodieren zu wollen und ich begriff, dass Brüllen – oder der Versuch – keine allzu gute Idee war.
    Noch immer auf Händen und Knien kroch ich ein Stück vorwärts, ohne zu wissen, ob ich mich damit auf die Tür zu- oder von ihr fortbewegte. Als ich vorsichtig einen Arm ausstreckte, ertastete ich ein Metallregal und darauf etwas wie die Kunststoffrücken von Aktenordnern. Ich zog einen der Gegenstände hervor und hörte, wie er mit einem Scheppern zu Boden fiel. Er entpuppte sich als eine Art Videokassette, groß wie der Deckel eines Schuhkartons. Darauf mussten früher die Bilder der Kameras aufgezeichnet worden sein, bevor es üblich geworden war, Festplatten zu benutzen. Demnach befand ich mich im Archiv des Überwachungsraumes.
    Auf der Suche nach einem Lichtschalter tastete ich mich am Regal entlang bis zur nächsten Wand. Als ich ihn endlich fand, erklang ein Klacken, aber hell wurde es nicht. Ein Defekt der Neonröhre oder ein Stromausfall. Ich befand mich fünf Stockwerke unter dem Tageslicht, in einem Labyrinth fremder Korridore und Räume, und es gab kein Licht mehr. Wahrscheinlich könnte ich wochenlang durch diese Finsternis irren, ohne einen Weg nach oben zu finden. Vorausgesetzt, ich fand erst einmal einen aus diesem Raum.
    Der Eingang befand sich gleich neben dem Schalter. Ich richtete mich auf, drückte die Klinke nach unten und rechnete damit, dass Haven die Tür abgeschlossen hatte. Aber sie ließ sich ohne jeden Widerstand nach innen ziehen. Für wie lange hatte er mich außer Gefecht gesetzt, wenn er es nicht einmal für nötig gehalten hatte, mich einzusperren?
    Außen steckte ein Schlüssel. Hatte Emma aufgeschlossen, während Haven beschäftigt gewesen war?
    Auch draußen war es stockdunkel. Falls dies der Kontrollraum war – und das musste er sein, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass Haven sich die Mühe gemacht hatte, mich woanders hinzutragen –, dann waren alle Bildschirme erloschen und keines der Lämpchen am Schaltpult leuchtete.
    »Emma?« Und, widerstrebend: »Haven?«
    Ich erkannte keine Konturen, keine Formen, rein gar nichts. Behutsam tastete ich mich mit der Fußspitze vorwärts und streckte die Arme aus. Ich hätte mich an der Wand entlangschieben können, aber als mir das einfiel, stand ich bereits mitten im leeren Raum.
    Und falls am Schaltpult jemand saß, der mich lautlos durch eine Nachtsichtmaske beobachtete? Die Vorstellung erschien mir auf einen Schlag so real, dass ich erstarrte. Ich sagte mir, dass es keinen Grund dafür gab, aber ich bekam den Gedanken

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