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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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keinen Fall«, krächzte ich.
    Auch Haven schüttelte den Kopf.
    »Ich geh da rein«, sagte Emma unbeirrt, »rede mit den Probanden – und ich hätte gern eine Pistole.«

44.
    Haven und ich sahen uns schweigend an.
    Emmas Blick wechselte von mir zu ihm. »Hat jemand einen besseren Plan?«
    Ich nickte gequält. »Ich leg dich übers Knie, so wie damals, als du fünf warst.«
    Aber Emma meinte es ernst. Wie immer. Ehe ich etwas einwenden konnte, erzählte sie Haven, was wir von Tomasz erfahren hatten. Es war nicht viel und endete mit der Behauptung, dass die Probanden geweckt werden mussten. Und dass sich dann, möglicherweise und aus welchen Gründen auch immer, das Tor zu den Kammern schließen würde.
    Nichts davon klang, als hätte es Hand und Fuß.
    Nachdem Emma fertig war, schwieg Haven eine ganze Weile.
    »Ich schätze mal«, sagte ich schließlich, »wir können ihnen da drinnen nicht einfach so den Strom abstellen, oder?«
    Haven schüttelte den Kopf, als er vom Boden aufstand. Auch ich kämpfte mich schwankend auf die Beine.
    »Der Probandenraum hat eine eigene Notstromversorgung«, sagte er und ging hinüber zum Schaltpult. »Wir würden Tage damit verbringen, in den Wänden nach den richtigen Kabeln zu suchen.«
    »Könnte man nicht einfach … ich weiß nicht … irgendeinen Knotenpunkt sprengen?«
    »Das Risiko ist zu groß, dass wir hier unten im Dunkeln festsitzen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir bräuchten exakte Schaltpläne. Überhaupt irgendeine Ahnung, wo die wichtigen Leitungen liegen, wohin sie führen, woher sie kommen und –«
    »Okay. Ich hab’s verstanden.«
    »Außerdem«, sagte Emma, »würde das nichts ändern. Tomasz und die drei anderen in der Hot Suite haben Jahre ohne Strom und Nahrung überstanden.«
    Haven rieb sich mit den Händen über die Augen. Ich fragte mich, wann er zum letzten Mal geschlafen hatte. Er war in einem furchtbaren Zustand, verschmutzt und stinkend wie wir, in Trauer um seine tote Tochter, zerfressen von Hass auf Whitehead.
    »Was genau willst du tun?«, fragte er Emma.
    Ich fuhr ihn an: »Sie haben doch nicht wirklich vor, sie da reingehen zu lassen!«
    »Erzähl’s mir«, bat er meine Schwester.
    Emma legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander. »Whitehead hat Tyler doch herbringen lassen, weil er hofft, durch ihn mit Flavie und den anderen kommunizieren zu können.«
    Haven nickte.
    »Und im Augenblick sieht es nicht so aus, als hätte er damit Erfolg.« Sie deutete auf die Monitorwand, auf der jetzt wieder die Gesamtansicht des Raumes zu sehen war. Tyler, der uns noch immer für tot halten musste, stand gebückt neben dem Bodengitter und zerrte an seiner Handschelle. Whitehead lief auf und ab, redete und gestikulierte – und nahm nun die Pistole. Mit ihr trat er auf Tyler zu, der sofort versuchte, mit einem freien Arm nach ihm zu schlagen. Whitehead mochte zwar den Verstand verloren haben, ging aber kein Risiko ein. Er hielt genügend Sicherheitsabstand, während er die Waffe hob und auf Tylers Gesicht zielte.
    »Stellen Sie den Ton an!«, verlangte ich.
    Haven drückte einen Knopf und schob einen der Regler nach oben. Doch was da aus dem Lautsprecher drang, war nur tosendes Rauschen, vermischt mit ein paar Wortfetzen.
    »Die Notstromgeneratoren stören die Funkübertragung«, sagte der Colonel, »deshalb der Lärm.«
    Ich verstand nichts von dem, was Whitehead sagte, und als Tyler ihn wütend anbrüllte, hörte ich wenig mehr als ein paar Beschimpfungen heraus.
    Haven regulierte den Ton wieder herunter. »So geht das seit Stunden. Whitehead verlangt, dass er mit dem Mädchen spricht, und euer Freund weigert sich.«
    »Tyler kann das gar nicht«, behauptete Emma.
    »Was will Whitehead denn erreichen?«, fragte ich. »Dass er vorhatte, das Tor zu schließen, war eine Lüge, oder?«
    »Ja«, sagte Haven bitter. »Als uns das klar wurde, haben sich meine Männer mit dem Hubschrauber davongemacht. Whitehead glaubt an die reinigende Kraft des Lichts , wie er es nennt. Dass die Probanden die Schwelle der Kammern erreicht haben, ist die Erfüllung seines Traums. Stellt ihn euch vor wie einen Nasa-Wissenschaftler, dessen Sonde nach Jahren endlich auf dem Mars gelandet ist. Er muss jetzt wissen, was dort drüben ist … muss sehen, was sie sehen. Seinen Leuten ist es nie gelungen, die Netzhautaufnahmen der Salazars zufriedenstellend nachzuahmen. Oder die Ergebnisse entsprachen nicht dem, was er erwartet hatte.«
    Wahrscheinlich hatte er nur denselben

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