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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Bildschirmschnee zu sehen bekommen wie wir.
    Auf den Monitoren schrie Whitehead Tyler an, drohte mit der Pistole und legte sie dann doch wieder beiseite. Falls er ihn erschoss, würde er vor zwei neuen Problemen stehen: Zum einen würde er niemals Kontakt zu den Probanden aufnehmen können, zum anderen würde Tylers Geist einen längeren Aufenthalt im Raum unmöglich machen. Der Prediger hatte sich in eine Zwickmühle manövriert. Zugleich wurde draußen die Geschwindigkeit, mit der die Geister aus der Vergangenheit auftauchten, immer größer. Vielleicht war die Formel ganz simpel: Je mehr Geister erschienen, desto schneller kehrten auch die früheren Generationen zurück.
    »Ihr habt die Aufzeichnungen aus Spanien gesehen«, sagte Haven. »Viel war nicht zu erkennen. Vielleicht wird nie irgendwer erfahren, was wirklich hinter alldem steckt. Es könnte eine Invasion sein. Oder eine Art Krankheit, mit der sich die Welt infiziert hat. Herrgott, es könnte alles Mögliche sein, und am Ende wird der Grund gar keine Rolle mehr spielen!«
    »Aber weder Sie noch wir hatten genug Zeit, um das ganze Material zu sichten.«
    Er griff in seine Jacke und zog die Disc hervor. Einen Moment lang wog er sie in der Hand, als überlegte er, ob sie schwerer geworden wäre.
    »Wenn wir sie ihm geben«, überlegte ich laut, »dann lässt er Tyler vielleicht gehen und –«
    »Nein.« Die Disc verschwand wieder in Havens Innentasche. »Das Einzige, was Whitehead von mir bekommen wird, ist eine Kugel zwischen die Augen.«
    Emma räusperte sich. »Ich war vorhin noch nicht fertig.« Eine steile Falte erschien über ihrer Nasenwurzel. So energisch hatte ich sie seit vielen Jahren nicht erlebt. »Whitehead will mit den Probanden kommunizieren. Tyler ist ihm dabei keine Hilfe. Aber wenn wir ihn überzeugen können, dass ich mit ihnen sprechen kann … dann wird er mich hinter diese Tür lassen.«
    »Schon möglich«, sagte Haven.
    »Auf keinen Fall!«, fuhr ich ihn an. »Emma wird nicht da reingehen!« Aber mir war auch klar, dass es mir allein nicht gelingen würde, sie umzustimmen. Sie wollte meine Hand nehmen, aber ich ließ das nicht zu. »Komm mir nicht so!«
    »Ich muss es versuchen. Es ist die einzige Möglichkeit.«
    »Um Whitehead zu töten? Du willst zu ihm gehen und ihn erschießen? Glaubst du wirklich, dass du das fertigbringst?« Aber natürlich: Logik und Vernunft kontra mangelnde Emotion – das war Emma. Hastig redete ich weiter: »Und was soll uns sein Tod bringen, abgesehen von Rache?«
    »Er würde niemals zulassen, dass ich die Probanden wecke.«
    »Da hat sie Recht«, sagte Haven nachdenklich. »Aber selbst dann wird es nicht leicht werden. Sie schlafen nicht einfach, sondern stehen unter einer extremen Form von Hypnose. Fingerschnippen wird da nicht reichen.«
    Emma ließ sich nicht beirren. »Tomasz kannte einen Weg. Und ich finde ihn.«
    Havens Miene verfinsterte sich noch weiter. »Falls es gelingen sollte, Whitehead zu töten, wird sein Geist da drinnen erscheinen. Und bei der nächsten Smilewave –« Er verstummte.
    Emma nickte nur.
    Ich holte tief Luft. »Okay«, sagte ich entschieden. »Dann gehe ich! Ebenso gut können wir Whitehead weismachen, dass ich mit ihnen reden kann.«
    Emma sah mich nachsichtig an. »Aber ich höre sie wirklich , Rain. Du nicht.«
    »Ich spreche mit Whitehead«, sagte Haven. »Vielleicht kann ich ihn dazu bringen, Emma reinzulassen.«
    »Kommt gar nicht in Frage!«
    »Ein Tausch«, sagte Emma. »Wenn wir ihn davon überzeugen, dass ich für ihn mit den Probanden reden kann, dann können wir im Austausch verlangen, dass er Tyler gehen lässt.« Sie sah Haven an. »Glauben Sie, darauf würde er sich einlassen?«
    »Mittlerweile hat er wahrscheinlich eingesehen, dass euer Freund ihm nicht helfen wird.«
    Ich starrte Emma entgeistert an und scherte mich nicht darum, dass der Colonel hinter mir stand. »Haven hat Mum und Dad umgebracht! Gerade eben wollte er dasselbe mit mir machen! Und du vertraust diesem Bastard?«
    Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. »Der Colonel ist der Einzige von uns, der Whitehead kennt. Er kann ihn einschätzen. Und er wird wissen, wie er mit ihm zu reden hat. Ohne ihn haben wir keine Chance.«
    »Ich werde nicht einfach zusehen, wie du dich umbringst!«
    Emma bewegte sich von mir fort zu den Monitoren. »Mach dir keine Sorgen um mich … Weißt du, als du weg warst, bin ich ziemlich gut ohne dich klargekommen.«
    Ich konnte nicht glauben, was sie da sagte.

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