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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ozean zwischen Flavie und ihm gelegen hatte.
    »Welche von denen ist Flavie Certier?«, fragte Emma.
    Haven holte das Bild der ersten Kamera zurück auf die Monitore, die Reihe der acht Probanden. »Ganz rechts.«
    Ich machte einen Schritt nach vorn und kniff ein wenig die Augen zusammen, die vom Starren auf die Schirme allmählich zu brennen begannen. Ich versuchte, den Menschen hinter dem Dickicht aus Schläuchen und Elektrodenverbindungen zu erkennen.
    Flavie war in einem bemitleidenswerten Zustand, genau wie die anderen. Heruntergehungert, eingefallen, völlig enthaart. Was auch immer in ihrem Kopf vorging – falls dort überhaupt noch etwas vorging –, war verborgen hinter maskenhaften Zügen.
    Emma ging um das Schaltpult herum zur Bildschirmwand, bis sie unmittelbar vor Flavie stand und ein wenig zum Monitor aufsehen musste.
    »Ist es wirklich wahr?«, fragte Haven sie. »Kannst du hören, was sie denken?«
    Emma nickte. »Sie sind sehr verwirrt.«
    »Kennen sie einen Weg, das hier zu stoppen?«
    »Die Probanden haben es selbst in Gang gesetzt!«, platzte ich wütend heraus. »Sie und Ihre Leute haben diese Menschen entführt und an Whitehead ausgeliefert. Das hier ist Ihre Schuld, Haven! Und wie ich das sehe, haben Sie den Preis dafür bezahlt.«
    Mein Mundwerk und ich. Irgendwann würde einer von uns begreifen, dass Klappehalten manchmal die klügere Option war.
    Ehe ich reagieren konnte, packte Haven mich an den Schultern, schob mich quer durch den Raum und stieß mich neben einer schmalen Seitentür gegen die Wand. Jetzt sah ich wieder den Mann vor mir, der in den Flammen der Sternwarte sein Schicksal herausgefordert hatte.
    »Dass ich dein Leben gerettet habe«, fuhr er mich an, »bedeutet nicht, dass ich mir anhören muss, was du zu sagen hast.«
    Ich war drauf und dran zu widersprechen und alles nur noch schlimmer zu machen, aber da stand schon Emma neben uns.    
    »Sie sollten sich anhören, was ich Ihnen zu sagen habe.« Nach kurzem Zögern setzte sie hinzu: »Colonel Haven.«
    Er ließ mich nicht los und nahm auch nicht seinen zornigen Blick von mir. Es ging nicht um mich, er brauchte nur jemanden, an dem er die Wut über den Tod seiner Tochter auslassen konnte.
    »Colonel«, sagte Emma noch einmal. »Sie –«
    Während er mich noch an den Schultern gegen die Wand presste, schlug ich ihm mit aller Kraft beide Fäuste in den Magen.
    Damit hatte er nicht gerechnet. Und das war die gute Nachricht, denn für eine Sekunde ließ er locker und ich kam frei. Die schlechte war, dass ein Mann wie Haven sich niemals komplett übertölpeln lassen würde.
    Er holte aus und verpasste mir eine Ohrfeige, die mich meterweit zur Seite schleuderte. Ich stürzte und für einen Moment wurde mir schwarz vor Augen. Dann federte ich wie eine getretene Katze in seine Richtung – und stolperte an ihm vorbei ins Leere, als er mir ohne Mühe auswich. Er zeigte nicht die leiseste Spur von Triumph, als ich mit einem wütenden Aufschrei herumwirbelte. Stattdessen sagte er ruhig: »Mach noch einen Schritt und ich töte dich.«
    Ich machte nicht einen, sondern drei, und als ich gegen ihn prallte, fühlte sich das einen Herzschlag lang fast wie ein Sieg an. Dann griff er mir in die Dreadlocks, riss mich brutal herum, schleuderte mich auf den Boden und landete mit dem Knie auf meinem Rücken. Seine Hände schlossen sich von hinten um meinen Kopf, begannen ihn zu drehen, und ich konnte hören, wie die Wirbel aneinanderrieben, ein seltsames Geräusch in solch einem Moment, und gleich würde mein Genick –
    »Colonel Haven«, sagte Emma leise, »wenn Sie meiner Schwester weiter wehtun, dann werde ich Ihnen nicht helfen.«
    Sogar in meiner Lage begriff ich, wie absurd das war. Emma drohte dem Mörder unserer Eltern, aber nicht mit einer Waffe, sondern nur mit diesem Satz. Dann werde ich Ihnen nicht helfen.
    Und Haven ließ mich los.
    Das Licht und die Monitore flackerten erneut.
    Er sank neben mir zu Boden, blieb mit ausgestreckten Beinen sitzen, stützte sich nach hinten mit den Armen ab und atmete tief durch.
    Mühsam rollte ich mich auf den Rücken. Meine Wirbelsäule fühlte sich an, als wäre mir ein Lastwagen ins Kreuz gefahren.    
    »Was glaubst du denn, dass du tun kannst?«, fragte Haven meine Schwester, während ich erwog, mich noch einmal auf ihn zu stürzen, es dann jedoch bleibenließ, weil ich kaum aus eigener Kraft auf die Beine kam.
    »Ich will dort reingehen und mit Flavie sprechen«, sagte Emma.
    »Auf

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