Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
sie würde mich eine Lügnerin oder einen Trotzkopf nennen und mich zur Strafe auf mein Zimmer schicken.
Was blieb also übrig? Ich musste das Eis brechen, den armen Weihnachtsmann herausholen und so Weihnachten retten! Ja, ich allein würde der Held sein! Und dann würde ich allen sagen, schaut her, den Weihnachtsmann gibt es doch! Umso länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass niemand mehr an den Weihnachtsmann glaubte und die Erwachsenen ihren Kindern die Geschenke nur deshalb kaufen mussten, weil der Weihnachtsmann ja hier im See lag.
Was war nur passiert? Vielleicht hatte Schnee auf dem Teich gelegen und beim Landen hatten die Rentiere ihn einfach nicht gesehen. Das Eis war einfach zu dünn für den mit den Geschenken beladenen Schlitten gewesen, und so waren sie eingebrochen und untergegangen.
Und dann waren sie ertrunken. Ich war zwar noch ein Kind, aber ich war ja nicht doof. Ich wusste, was tot sein hieß. Meine Oma war schließlich auch schon einmal gestorben. Tot sein, das hieß, dass man sich nicht mehr bewegte und auch sonst gar nichts mehr tat, und das war echt schlimm! Denn es hieß auch, dass ein ertrunkener Weihnachtsmann keine Geschenke mehr bringen konnte. Die Art Geschenke, die man sich wirklich wünschte. Und ich hatte wirklich die Nase voll von Socken und langweiligen Brettspielen.
Ich musste etwas unternehmen! Ich zog meine Schlittschuhe aus und begann, damit auf das Eis einzuhacken, wo es am dünnsten war. Klar, wurden ihre Kufen ganz stumpf davon, aber schließlich konnte ich mir ja später neue wünschen.
Es war eine schweißtreibende Arbeit. Das Eis splitterte und knackte, und ich hieb immer weiter, bis schließlich ein kleines Loch entstanden war, durch das meine Hand passte. Ich griff ins eisige Wasser und nach dem Stoff des Mantels. Dann zog ich ihn zu mir heran. Meine Hand war krebsrot und brannte, der Stoff fühlte sich ganz schön schwer an, weil er sich mit Wasser vollgesogen hatte. Ich kniete auf dem Eis und zog mit aller Macht daran. Das Eis knirschte und krachte. Ich wusste, dass es nicht mehr lange halten würde, aber ich wollte und konnte einfach nicht aufgeben und loslassen! Verbissen zerrte ich weiter - das hier WAR der Weihnachtsmann und es gab ihn DOCH! – und endlich gab das Eis nach.
Man sagt ja immer, der Glaube versetzt Berge, das tut er wirklich, und er bricht auch Eis. Nicht nur das, er scheint auch eiskalte Wasserleichen wiederzubeleben, denn nun bewegte sich die Gestalt unter dem Eis. Erst zappelte der Weihnachtmann nur, dann drückte er mit aller Kraft gegen die Eisdecke, die ihn im See festhielt. Die Risse im Eis wurden breiter und endlich, endlich, brach es.
Und dann ging alles furchtbar schnell. Aus dem Eisloch kroch ein triefnasser Weihnachtsmann. Ihm folgten ein paar ebenso durchgeweichte Rentiere. Sie sahen allesamt aus wie begossene Pudel.
Ich war an das sichere Ufer gelaufen, als das Eis gebrochen war, und beobachtete alles mit offenem Mund. Da standen sie, der klitschnasse Weihnachtmann, der seinen Bart auswrang, und seine zähneklappernden Rentiere, die ganz schön dumm aus der Wäsche guckten.
Dann bemerkten sie mich. Der Weihnachtsmann sah nicht besonders glücklich aus, dabei hatte ich ihn doch gerade gerettet. Nicht dass ich Angst gehabt hätte, aber weil ihm sicher ganz kalt war, drehte ich mich um und rannte, nur in meinen Socken, zu unserem Haus. Ich holte Handtücher aus dem Badezimmer, wobei ich extra die mit den Weihnachtsmotiven heraussuchte, und schlich mich dann an Mama vorbei zum Schrank unter der Spüle, wo die Flasche Schnaps, die mein Vater dort aufbewahrte, stand und stibitzte sie. Dabei hinterließ ich überall nasse Fußspuren, aber das war mir egal, ich stürzte so schnell ich konnte mit meiner Beute zurück zum See.
Sie waren weg. Natürlich waren sie weg. Ich habe es meinen Eltern beichten müssen, war ja klar, weil ich wie ein Wirbelwind durch das Haus getobt war und Sachen zusammengehamstert hatte. Meine Eltern machten mir klar, dass das alles natürlich nie passiert ist. Der See war am nächsten Tag wieder zugefroren und es waren auch nirgendwo Spuren von Rentieren oder einem Schlitten zu finden, und ich hatte wirklich sehr genau nachgeschaut!
Ja, es ist nie passiert, aber zu Weihnachten standen trotzdem ein paar neue Schlittschuhe unter dem Weihnachtsbaum, und ich glaube noch immer, auch im Alter von sechsundvierzig Jahren an den Weihnachtsmann, und das obwohl alle sagen, dass es den Weihnachtsmann
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