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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sich herumträgt?« fragte ich.
    »Leider nein.«
    Während die beiden Männer weitersprachen, schaute ich nach der Lasagne im Ofen und entkorkte eine Flasche Wein. Der Prozeß gegen Norring würde eine Sensation werden, falls man ihm etwas nachweisen konnte. Ich war in dieser Hinsicht jedoch nicht sonderlich optimistisch.
    Meine Gäste verließen mich kurz vor elf Uhr. Ich griff zum Telefon und rief Grueman an. Er ließ mich gar nicht zu Wort kommen: »Ich weiß nicht, wie Sie das Wochenende verbracht haben. Ich für meinen Teil war in London.«
    »Aber das war…« fuhr ich auf.
    »Nicht ausgemacht, ich weiß«, unterbrach er mich. »Aber ich kann nicht zulassen, daß Sie es aus sturem Beharren auf Ihrer Privatsphäre und falscher Rücksichtnahme riskieren, von Patterson erledigt zu werden. Charlie Hale muß in den Zeugenstand!«

14
    Der 20. Januar war so windig wie ein Märztag, aber bedeutend kälter, obwohl die Sonne schien.
    »Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, das Sie bereits wissen«, erklärte Nicholas Grueman, als wir in östlicher Richtung auf der Broad Street zum John-Marshall-Gerichtsgebäude fuhren. »Die Journalisten werden sich aufführen wie ein Schwarm Piranhas im Blutrausch. Wir werden, den Blick zu Boden gerichtet, Seite an Seite da durchmarschieren und mit niemandem sprechen.«
    »Kein Parkplatz!« sagte ich, als ich in die 9th Street einbog und die Straßenränder absuchte. »Ich wußte es!«
    »Gehen Sie vom Gas!« kommandierte er. »Da drüben will einer wegfahren, und falls er es in der nächsten halben Stunde schaffen sollte, aus der Lücke herauszukommen, können wir es abwarten.«
    Hinter mir röhrte eine Hupe. Ich schaute auf meine Uhr und wandte mich dann Grueman zu – wie ein Sportler, der die letzten Anweisungen seines Trainers erwartet. Er trug einen langen nachtblauen Kaschmirmantel und schwarze Lederhandschuhe. Auf dem Schoß hatte er einen Aktenkoffer, dem man ansah, daß er seinen Besitzer schon in vielen Schlachten begleitet hatte. Der Stock mit dem Silberknauf lehnte an der Wagentür.
    »Denken Sie daran«, ermahnte er mich, »Ihr Freund Patterson bestimmt, wer zur Vorverhandlung zugelassen wird. Also müssen wir darauf bauen, daß die Geschworenen in Ihrem Sinne intervenieren – und von Ihnen hängt es ab, ob sie das tun. Sie müssen sie auf Ihre Seite bringen, Kay, sich mit zwölf Fremden anfreunden, sobald Sie den Raum betreten. Worüber die Geschworenen auch mit Ihnen reden wollen, mauern Sie nicht! Seien Sie zugänglich!«
    »Ich werde mein Bestes tun«, versprach ich.
    »Braves Mädchen.« Er tätschelte lächelnd meinen Arm. Beim Betreten des Gerichtsgebäudes wurden wir von einem Beamten mit einem Scanner aufgehalten. Er filzte meine Handtasche und meinen Aktenkoffer, wie er es schon Hunderte von Malen getan hatte, wenn ich bei einem Prozeß als Sachverständige vorgeladen gewesen war, aber diesmal sprach er nicht mit mir, und er vermied es, mich anzusehen.
    Gruemans Stock setzte den Scanner in Aktion, und mein alter Professor war ein Muster an Geduld und Höflichkeit, als er erklärte, daß man den Knauf und die Spitze nicht abnehmen könne, und versicherte, daß nichts in dem dunklen Holzstock versteckt sei.
    »Was denkt der, was das ist – ein Blasrohr?« fragte er sarkastisch, als wir in den Lift traten.
    Als die Aufzugtüren im dritten Stock aufglitten, stürzten sich, wie erwartet, die Reporter auf uns. Für einen gichtgeplagten Mann bewegte mein Rechtsberater sich erstaunlich schnell. Seine Schritte wurden vom Stakkato der Stockspitze begleitet.
    Der Gerichtssaal war leer, bis auf Benton Wesley, der mit einem schlanken jungen Mann in einer Ecke saß. Das mußte Charlie Hale sein. Die rechte Gesichtshälfte war von feinen rosa Narben durchzogen, und als er aufstand und seine rechte Hand in die Jackettasche steckte, bemerkte ich, daß mehrere Finger fehlten. Er trug einen schlechtsitzenden Anzug, und die Krawatte saß schief. Er schaute mich schüchtern an. Ich brachte es nicht fertig, ihn anzusprechen, setzte mich mit zitternden Knien hin, öffnete meinen Aktenkoffer und suchte Zuflucht in meinen Unterlagen.
    »Sprechen wir kurz darüber, welche Geschütze der Gegner auffahren wird«, überspielte Grueman meine Verkrampftheit. »Ich nehme an, wir können davon ausgehen, daß Jason Story aussagen wird – und Officer Lucero. Und natürlich Marino. Ich weiß nicht, wen Patterson sonst noch für seine Galavorstellung verpflichtet hat.«
    »Damit Sie informiert

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