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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Aktivitäten – und wenn ich nachts wieder einmal völlig überdreht wach lag, sah ich Mark lächelnd den Kopf schütteln.
    »Was würdest du tun?« fragte ich ihn dann aufgebracht. »Sag, was würdest du tun, an meiner Stelle, wenn du noch hier wärst?«
    Ich stand auf, spülte in der Küche die Gläser aus und ging ins Arbeitszimmer, um den Anrufbeantworter abzuhören.
    Mehrere Reporter hatten angerufen, meine Mutter und meine Nichte Lucy. Drei weitere Anrufer hatten wortlos wieder aufgelegt. Ich hätte gerne eine Geheimnummer gehabt, doch das ging nicht: Die Polizei, Staatsanwälte und die landesweit etwa vierhundert Leichenbeschauer mußten mich auch nach Dienstschluß erreichen können. Aber wenigstens besaß ich ein Gerät, das die Anrufer identifizierte, indem es die Telefonnummer eines jeden auf einem Display anzeigte. Somit konnten obszönes Anmachen oder Drohanrufe zurückverfolgt werden. Ich schaltete dieses Gerät ein und überflog die Nummern, die der Reihe nach auf dem Display erschienen. Dreimal dieselbe! Sie war mir bereits vertraut: Im Laufe der letzten Woche war sie mehrmals aufgetaucht, und nie hatte sich der Anrufer gemeldet. Als ich den Anschluß gewählt hatte, um festzustellen, wer abnahm, schrillte ein Ton an mein Ohr, der nach einem Faxgerät oder einem Computermodem klang. Aus irgendeinem Grund hatte dieser oder diese Unbekannte heute abend zwischen zwanzig nach zehn und elf dreimal bei mir angerufen, während ich im Leichenschauhaus auf Waddell wartete. Ich verstand es nicht und fand es beunruhigend. Wenn ein technischer Defekt vorlag und ein computergesteuertes Gespräch stets bei mir landete, hätte das doch inzwischen jemandem auffallen müssen.
    Während der wenigen Stunden, die von der Nacht noch verblieben, wachte ich immer wieder auf. Jedes Geräusch ließ meinen Puls hochschnellen, und die roten Lichter der Alarmanlage an der Wand gegenüber meines Bettes schienen mich drohend anzustarren. Sobald ich wieder einschlief, quälten mich wirre Träume. Um halb sechs hatte ich genug und stand auf.
    Es war noch dunkel und fast verkehrsstill, als ich ins Büro fuhr. Wie sich herausstellte, war ich die erste. Der Hof war noch mit Kerzen übersät. Ich fuhr in den ersten Stock hinauf, machte Kaffee und ging die Unterlagen durch, die Fielding mir hingelegt hatte. Besonders neugierig war ich auf den Inhalt des Kuverts aus Waddells Gesäßtasche. Ich erwartete ein Gedicht, vielleicht weitere »Gedanken« oder einen Brief von einem Priester und war entsprechend verblüfft, daß das, was Waddell als »streng vertraulich« bezeichnet hatte und mit ins Grab nehmen wollte, lediglich Quittungen waren: fünf von Mautstellen und drei von Restaurants – einschließlich einer für ein Brathähnchenmenü bei Shoney’s vor zwei Wochen.

2
    Trotz des Bartes und der Stirnglatze sah Detective Trent sehr jung aus. Weiße Fäden durchzogen das blonde Haar. Er war groß und schlank, sein mit einem Gürtel zusammengehaltener Trenchcoat wirkte wie frisch gestärkt, und die Schuhe glänzten. Er blinzelte etwas nervös, als wir uns vor dem Henrico Doctor’s Emergency Center begrüßten.
    »Wenn es Ihnen recht ist, sprechen wir erst mal hier draußen ein paar Worte«, sagte er. »Hier sind wir ungestört.«
    Fröstelnd schlang ich die Arme um meinen Oberkörper, während nicht weit von uns mit ohrenbetäubendem Lärm ein Hubschrauber von dem grasbewachsenen Startplatz abhob. Der Mond stand als schmale Sichel am schiefergrauen Himmel, die parkenden Autos waren schmutzig von Streusalz und Winterregen. Der Wind biß mir ins Gesicht, aber es war nicht die Kälte, die mich an diesem trostlosen Morgen frieren ließ: Mir graute vor dem, was mir bevorstand.
    »Wenn Sie den Jungen sehen, werden Sie verstehen, weshalb ich Sie hergebeten habe«, sagte der Detective, als das Rotorengeräusch wieder eine Verständigung möglich machte.
    »Was wissen Sie über ihn?« fragte ich.
    »Ich habe mit seinen Familienangehörigen gesprochen und mit einigen anderen Leuten, die ihn kennen. Soviel ich daraus entnehmen konnte, ist Eddie Heath ein ganz durchschnittlicher Junge: Er liebt Sport, trägt Zeitungen aus und hatte noch nie Probleme mit der Polizei. Sein Vater arbeitet bei der Telefongesellschaft, und die Mutter schneidert. Offenbar brauchte sie gestern abend eine Dose Pilzcremesuppe für den Auflauf, den es zum Dinner geben sollte, weshalb sie Eddie zu Lucky’s Convenience Store schickte.«
    »Wie weit ist der Supermarkt von

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