Pharmakon
beide.
»Ich habe nicht geheult«, sagte Dr. Schonberg.
»Ich auch nicht«, sagte Adam.
»Weißt du, was ich glaube?« sagte Dr. Schonberg.
»Was?« fragte Adam.
»Ich glaube, wir sind beide lausige Lügner.«
»Ich glaube, ich muß dir zustimmen.«
NACHWORT DES AUTORS
Seit ich im Jahre 1966 das Examen in Medizin machte, habe ich den Begriff »Krise der Medizin« so oft gehört, daß er für mich die Allegorie jenes Schäferjungen heraufbeschwört, der zu häufig »Wolf« rief. Aber bislang sind diese Krisen immer nur von besonderen Interessengruppen verkündet worden und stellten sich oft als widersprüchlich heraus: zu wenige Krankenhausbetten, zu viele Krankenhausbetten; nicht genügend Ärzte, zu viele Ärzte. Das alles reichte, um jeden verwirrt und apathisch werden zu lassen.
Aber jetzt bin ich zu dem Glauben gekommen, daß »Krise der Medizin« in einem wahrhaft allgemeinen Sinn anwendbar ist. Unglücklicherweise haben die Medien, weil in der Vergangenheit so viele Leute »Wolf« geschrien haben, erst jetzt damit begonnen, dieser sehr realen Krise ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Wir erleben heute mit, wie Geschäftsinteressen mit allmählich zunehmender Geschwindigkeit in die Medizin eindringen. Man muß verstehen, daß das Denken der Gesellschaften an ihren Gewinnauswurf den traditionellen Aspekten des Altruismus, die das Fundament der praktizierenden Medizin gebildet haben, diametral entgegensteht, und diese Dichotomie zieht als Konsequenz eine Katastrophe für das moralische und ethische Fundament des Berufes nach sich. Die mächtige Industrie sieht den medizinischen Bereich als eine Investitionsindustrie mit hohem Umsatz, hohem Profit, geringem Risiko und geringem Kapital an, die jetzt besonders reif zur Übernahme ist.
Ein Beweis für diesen Trend zu den Geschäftsinteressen im medizinischen Bereich spiegelt sich in der neuerlich ineinandergeschachtelten Eigentümerschaft von Krankenhäusern und Pflegeheimen, medizinischen Versorgungsunternehmen und einer Sintflut von anderen gesundheitsdienstlichen Organisationen wie Dialysezentren, chirurgischen Zentren, etc. wider. Selbst die Forschung ist in die neue Richtung der Geschäftsinteressen abgedriftet, wie die neuen biotechnischen Gesellschaften beweisen.
Die Reaktion auf diese Tatsache ist trotz der heimtückischen Wirkungen, die sie auf die praktizierende Medizin hat, überraschend gering gewesen. Professionelle Journale haben diesen Prozeß mit merkwürdigem akademischen Desinteresse betrachtet, Ärzte sind entweder auf den unternehmerischen Wagen aufgesprungen oder haben ihn ignoriert. Die Öffentlichkeit hat sich in Schweigen gehüllt, und die Medien haben jetzt erst begonnen, Artikel zu veröffentlichen, in denen Alarm geschlagen wird. Meine Hoffnung besteht darin, daß mein Buch helfen wird, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf dieses Problem zu lenken. Indem dieses Problem innerhalb eines emotionalen Rahmens in Worte gefaßt wird, bringt es die Vorgänge in eine persönlich faßbare Perspektive und gestattet dem Leser, die Implikationen der Situation durch die Identifikation mit dem Hauptcharakter zu verstehen, was meiner Meinung nach einer der Schlüsselwerte der fiktiven Literatur ist.
Ich begann, das Eingreifen von Geschäftsinteressen in die Medizin aufgrund eines Briefes zu erkennen, den ich von einem Krankenhaus erhielt, in dem man mich informierte, ihr Zensus sei niedrig und ich solle deshalb mehr Patienten zur Chirurgie einweisen, als ob ich eine Reihe von Leuten im Wartezimmer sitzen hätte, denen notwendige Operationen vorenthalten würden. Dieser Brief machte mir mehr als jede andere Erfahrung bewußt, daß unser medizinisches System unbeabsichtigt darauf aufgebaut war, von der Überbenutzung von Anlagen und Dienstleistungen abzuhängen und sie zu belohnen, und dabei seine eigenen steigenden Kosten zu decken. Kein Wunder, daß das Interesse von Geschäftsleuten geweckt wurde.
Für Pharmakon wählte ich die pharmazeutische Industrie als Brennpunkt, nicht weil sie schlimmer als irgendeine andere Gruppe wäre, sondern weil sie schon länger existiert als die meisten anderen Industrien, die mit der Medizin in Verbindung stehen, und weil sie einen machtvollen und wachsenden Einfluß ausübt. Der entscheidende Punkt ist, daß die pharmazeutischen Firmen Gesellschaften sind, die nicht für das öffentliche Wohlergehen existieren, gleich wie sehr sie versuchen, die Öffentlichkeit eines anderen zu überzeugen. Ihr
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