Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
Häusern hinaufsah, die hoch über mir aufragten, Wolkenkratzer, wie die Amerikaner sagen. Als wir wieder in die Latschkagasse bogen, hatte es leicht zu regnen angefangen, und meine Bluse klebte mir auf der Haut. Was meinem Engländer (wie ich ihn bei mir nannte) offenbar nicht auffiel. Das stimmte mich nachdenklich: Hatte er Probleme mit den Augen oder mit dem, was unser guter Wiener Doktor Sigismund Freud die Libido nannte? Zurück in der Wohnung, wechselte ich die Bluse, trocknete mir die Haare mit einem Handtuch, stellte Brot, Butter und Bier auf den Tisch und kam auf die heikle Frage der Miete zu sprechen. »Ja, Geld. Englische Pfund, österreichische Schillinge, deutsche Reichsmark. Wie viel hast du?«
    »Reden wir hier von B-B-Bargeld?«
    »Sicher nicht von Schuldscheinen. Natürlich meine ich Bares.«
    »Ah. Ja. Also. Mein heiliger Vater hat mich dafür bezahlt, das Manuskript seines B-B-Buches abzutippen. Er ist in vierundvierzig Tagen mit einem verdammten Kamel vom Persischen Golf quer über die arabische Halbinsel zum Roten Meer geritten. Ein Husarenstück. T. E. Lawrence meinte, man käme nur mit einem Luftschiff über das ›Leere Viertel‹
,
wie die Saudis es nennen. Wäre ein v-v-verflucht gutes Buch, wenn Vater einen V-V-Verleger fände, der nicht denkt, Lawrence von Arabien hätte das Copyright auf alle Wüstengeschichten. Davon habe ich noch ein bisschen Kleingeld übrig – und die hundert Pfund, die er mir zum G-G-Geburtstag geschenkt hat.«
    Hundert Pfund waren ein Vermögen im Wien der Arbeiter. »Du hast tatsächlich einhundert Pfund Sterling?«
    Er nickte.
    »Zeig sie mir.«
    Er saß auf einem der Küchenstühle, die wir für das Komiteetreffen später ins Wohnzimmer getragen hatten. Kim legte den linken Fuß aufs rechte Knie, schnürte seinen Bergstiefel auf und zog ihn sich vom Fuß. Das Bündel Banknoten klebte unter der Lasche. Er gab es mir. Ich zählte. Es waren wirklich einhundert Pfund Sterling, in frischen Fünf- und Zehnpfundnoten. Die Scheine waren so neu, dass ich Angst hatte, die Farbe würde an meinen Fingern kleben bleiben.
    »Wie lange müssen die reichen?«
    »Nun, ich dachte, wenn ich auf Sparflamme lebe, k-k-könnte ich vielleicht ein Jahr damit auskommen.«
    »Zwölf Monate?«
    »Für gewöhnlich die Länge eines Mondjahrs.«
    Ich griff nach einem Bleistift und begann, auf der Rückseite eines Umschlags zu rechnen, wandelte die Pfund in Schillinge um und zählte zusammen, was er für Miete und Verpflegung brauchen würde. »In Wien kannst du von sechs Schillingen am Tag leben, wenn du Vegetarier bist.« Ich sah ihn an. »Bist du Vegetarier?«
    »Ab jetzt schon.«
    »Gut. Ich habe in unserer sozialistischen
Arbeiter-Zeitung
einmal einen Artikel gelesen, der behauptete, dass der Mensch durchschnittlich zwei Komma vier Jahre länger lebt, wenn er kein Fleisch isst.«
    »Hast du in deinen B-B-Berechnungen Zigaretten eingeplant?«
    »Wie viel rauchst du?«
    »Ein Päckchen pro Tag.«
    »Hast du nicht gelesen, dass Zigaretten schädlich sind? Tja, da wirst du zurückstecken müssen, um deine Pennys zusammenzuhalten.«
    »Wenn ich weniger als ein Päckchen am Tag rauche, st-st-stottere ich mehr. Und du hast das Benzin fürs Motorrad vergessen, vorausgesetzt, wir fahren auch weiterhin damit durch Wien.«
    »Oh, aber ganz sicher. Ich werde unser Transport-Komitee überreden, uns das Benzin zu zahlen.« Ich rechnete die Posten zusammen. »Ich denke, fünfundsiebzig Pfund bringen dich durch dein Mondjahr.« Ich zählte das Geld ab und gab es ihm. Er sah die Geldscheine und dann mich an. »Was hast du mit den anderen fünfundzwanzig vor?«
    »Meinen Glückwunsch. Du bist gerade dem Vienna Relief Committee beigetreten. Zufälligerweise beträgt der Jahresbeitrag für Engländer mit Motorrädern genau fünfundzwanzig Pfund.«
    »Aber ich bin hergekommen, um mich der Internationalen Organisation der Hilfe für die Kämpfer der Revolution anzuschließen.«
    Der Moment war gekommen, um mit seiner Ausbildung zu beginnen. »Wenn du für die kommunistische Sache arbeiten willst, musst du es diskret tun. Ich werde in gewissen Kreisen ein gutes Wort für dich einlegen, wenn die Zeit dafür reif ist. Bis dahin musst du die Rolle des naiven jungen englischen Idealisten spielen, der nach Wien gekommen ist, um den Flüchtlingen zu helfen. Die Österreichische Kommunistische Partei ist zusammen mit der Internationalen Organisation der Hilfe für die Kämpfer der Revolution von Dollfuß und seiner

Weitere Kostenlose Bücher