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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ist?«
    »Warum sind Sie in Wien?«
    »Ich habe eine Verabredung mit der Geschichte.« In jenen Tagen konnte man, genau wie heute, nicht wachsam genug sein. »Wechseln Sie jetzt nicht das Thema. Wie haben Sie von der Roten Hilfe erfahren?«
    »Einer meiner Professoren in Cambridge ist ein kleines Rädchen in der B-B-Britischen Kommunistischen Partei. Er hat mir ein Empfehlungsschreiben für den österreichischen Ableger des Hilfskomitees für die Opfer des deutschen Faschismus mitgegeben. Ich k-k-kann Ihnen den Brief zeigen.«
    Er nestelte an seinem Rucksack, doch ich winkte ab. Jeder konnte einen Brief schreiben. »Nennen Sie mir die Adresse der Roten Hilfe. Welcher Genosse hat Ihnen meinen Namen gegeben?« Ich bereitete mich darauf vor, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, falls er eine falsche Antwort gab.
    Er zog ein kleines Notizbuch mit Spiralbindung aus einer Innentasche seiner Jacke, feuchtete seinen Zeigefinger an und begann, durch die Seiten zu blättern. Ich konnte sehen, dass sie bis an den Rand mit fast schon mikroskopisch kleiner Handschrift gefüllt waren. »Gut. Die Rote Hilfe ist in der Lerchengasse 13, dritter Stock, wenn man aus dem wirklich schäbigen Treppenhaus kommt, rechts den Korridor hinunter, durch vier Zwischentüren
and
Bob’s your uncle.
« Er hob den Blick. »Oje,
Bob’s your uncle
werden Sie nicht verstehen.«
    »Keine Sorge, ich kann Ihnen folgen«, sagte ich. »Fahren Sie fort.«
    »Ja. Gut. Das Büro der Roten Hilfe besteht aus vier Räumen, einer davon war voller Kartons mit gebrauchter K-K-Kleidung, b-b-bis hoch unter die Decke. In einem anderen hockten heruntergekommene Säufer, ich vermute Kommunisten, die von Herrn Hitler nach dem Reichstagsbrand aus dem Land gejagt worden sind. Alle, die nicht Sechsundsechzig sp-sp-spielten, schliefen in ihren Mänteln auf den auf dem Boden liegenden Matratzen. Die ganze Wohnung stank nach gekochtem Kohl, obwohl ich keinen Herd entdecken konnte, auf dem man hätte kochen können. Von dem Genossen, der mir Ihre Adresse gegeben hat, kenne ich nur den Spitznamen. Seine Freunde nennen ihn Axel Heiberg. Sie haben sich reichlich auf meine Kosten amüsiert, während sie mir erklärt haben, dass Axel Heiberg der Name einer Insel im Arktischen Ozean ist.«
    »Machen Sie das immer?«
    »M-M-Mache ich was immer?«
    »Alles, was Sie sehen, in Ihr Notizbuch zu schreiben?«
    »Ehrlich gesagt, ja. Mit elf hat mich mein heiliger Vater auf eine Grand Tour durch die Levante mitgenommen: Damaskus, B-B-Baalbek, B-Beirut, Sidon, Tyros, Tiberias, Nazareth, Akkon, Haifa, Jerusalem. Sagen Sie mir einen Namen, und ich sage Ihnen, wie der Suk dort aussieht. Ich m-m-musste ein Tagebuch führen und habe seitdem nie mehr damit aufgehört.« Er hielt mir seine bleiche Hand hin. »Philby«, sagte er. »Harold Philby. Kim für meine sehr wenigen Freunde.«
    »Warum sehr wenige?«
    »Meiner Erfahrung nach ist der Homo sapiens für gewöhnlich eine Enttäuschung. Allein der Homo sovieticus wird der geschichtlichen Herausforderung gerecht und stellt sich dem industriellen Kapitalismus, dem Nationalsozialismus und dessen ›Führer‹ entgegen. Und Ihrem schrecklichen Dollfuß hier in Wien.«
    Diese Erklärung rührte mich, wie ich mich erinnere, so sehr, dass ich seine Hand in meine beiden Hände nahm. »Litzi«, sagte ich vielleicht etwas eifriger, als ich wollte. »Litzi Friedmann, Latschkagasse 9, Wohnung Nummer sieben. Ich hab die Zahl abmontiert, um die Polizei aus dem Tritt zu bringen, sollte sie noch mal hier aufkreuzen.
Tickled.«
    »Tickled?«
    »Tickled,
Ihre Bekanntschaft zu machen. Kommen Sie herein.«
     
    »Geld.«
    »Geld?«
    »Auf Deutsch auch
Zahlungsmittel,
auf Ungarisch
fizetöeszköz.
Denaro
auf Italienisch,
argent
auf Französisch.
Money
auf Englisch, das du ja mehr oder weniger fließend beherrschst.«
    Es war frühabends, vermutlich an Kims zweitem Tag in Wien. Ich war zu taktvoll gewesen, ihn gleich am ersten Tag darauf anzusprechen. Wir waren gerade zurück in die Latschkagasse 9 gekommen, nachdem wir aus einer ebenso geheimen wie primitiven Untergrunddruckerei ein paar Pakete mit Flugblättern geholt und in die Hauptquartiere verschiedener Arbeitermilizen in den großen Wohnblocks außerhalb des Rings gebracht hatten. Ich muss gestehen, dass es ein berauschendes Gefühl war, hinten auf Kims Daimler-Motorrad mitzufahren. Mir wurde etwas schwindlig, als wir durch die Innere Stadt rasten und ich zu den Kirchtürmen und zehn-, zwölfstöckigen

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