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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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zogen. Es gab Zusammenkünfte, bei denen wir abstimmen sollten, aber niemand wusste, worüber eigentlich. Wenn wir dann todmüde in meine Wohnung zurückkehrten, glich Wien einem trockenen Schwamm, der das erste Morgenlicht aufsog.
    Ich will ehrlich sein: Während die Tage dahineilten, wartete ich immer ungeduldiger darauf, dass Kim den ersten Schritt machte, wie es Männer normalerweise tun, wenn sie mehr von einer Frau wollen, als sich nett mit ihr zu unterhalten. Ein Handrücken, der wie nebenbei über deinen Rücken streicht, um festzustellen, ob du einen Büstenhalter trägst, wäre ein denkbarer Anfang gewesen. Auch die Schultern zu massieren, kann nützlich sein. Schenkel, die sich unter einem engen Kaffeehaustisch aneinanderdrängen, heben jede Beziehung auf eine andere Ebene. Ein Kuss auf die Wange, der sein Ziel knapp verfehlt und seitlich auf die Lippen trifft, sollte eindeutig als Hinweis auf zukünftige Intimitäten verstanden werden. Eine Hand auf deinem Bauch, in kühner Nähe zu den Rundungen deiner Brüste, besiegelt dann nur noch den bereits geschlossenen Handel. Unter normalen Umständen geht es dann nur noch um die Frage: dein Bett oder meins. Aber von meinem Engländer kam nichts. Null. Er bot mir eine Zigarette an (er rauchte diese grässlichen französischen Gauloises bleues) und gab mir Feuer oder nahm eine von meinen (neumodische tschechische mit Pappfiltern), ohne dass sich auch nur unsere Fingerspitzen berührt hätten. Mit der Zeit begriff ich, dass ich ihn zu seinem Glück zwingen musste, wenn ich meines finden wollte.
    »Darf ich dich etwas fragen?«, platzte es am Abend des zehnten Tages, als wir zusammen meine Wohnung aufräumten, aus mir heraus. »Bist du …?«
    »Bin ich was?«
    »Bist du …« Ich zog eine Grimasse und sprach es aus: »… anders veranlagt?«
    Wir leerten gerade die übervollen Aschenbecher in den Mülleimer, nachdem das Bezirkskomitee noch bis spät abends bei mir getagt hatte. Kim sah mich scharf an. Ich glaubte, zu erkennen, dass seine englischen Wangen leicht gerötet waren.
    »Anders veranlagt …
homosexuell?
«
    Ich nickte zaghaft.
    »Warum f-f-fragst du das?«
    Ich setzte mich aufs Sofa neben ihn. Unsere Schenkel berührten sich. »Findest du mich nicht anziehend? Findest du mich nicht attraktiv?«
    »Ich finde dich … ungeheuer attr-tr-traktiv.«
    »Also?«
    »Also was?«
    »Brauchst du eine Gebrauchsanleitung?«
    »Ehrlich gesagt, v-v-versuche ich schon eine Weile, den Mut aufzubringen, dich zu fragen, ob wir v-v-vielleicht …«
    »Herrgott, Kim, du brauchst doch nicht zu fragen!«
    »Ah.«
    Woraufhin er lediglich den Mut aufbrachte, nach einer Falte meines Rocks knapp über dem Knie zu greifen, als wollte er damit seinen Anspruch auf den Stoff und somit den Körper darunter anmelden. »Du musst verstehen, dass Jungs wie ich, A-A-Angst haben, h-h-hübschen Mädchen wie dir den Hof zu machen.«
    »Wovor müsst ihr dabei denn Angst haben?«
    »Wir haben Angst, dass ihr Nein sagt, was unser b-b-bisschen Selbstsicherheit zerstören würde.« Er räusperte sich. »Und wir haben Angst, dass ihr Ja sagt, und wir d-d-dann die Erwartungen nicht erfüllen, was unser b-b-bisschen Selbstsicherheit auch zerstören würde.«
    »Ich habe auch Angst«, flüsterte ich.
    »Wovor um alles in der Welt solltest d-d-du Angst haben? Du brauchst nur mit den Fingern zu schnipsen und kannst jeden haben.«
    »Ich habe Angst, ich schnipse mit den Fingern und keiner hört es. Ich habe Angst, die Bluse klebt mir vom Regen an den Brüsten und keiner bemerkt es.«
    »Ich hab’s bemerkt«, sagte er lapidar.
    »Das ist doch ein Anfang. Und was die Erwartungen angeht: Ich war schon mal verheiratet und habe Erfahrung darin, Männer vor dem Versagen zu bewahren.«
    »Das klingt so technisch.«
    »Ein bisschen Technik gehört nun mal dazu. Eine Frau, die sich nicht scheut, Hände und Mund zu gebrauchen, kann jeden Mann dazu bringen, ihre Erwartungen zu erfüllen.«
    Er bearbeitete den Stoff meines Kleides, wie ein Muslim mit seiner Perlenkette hantiert. Langsam öffnete ich meine Schenkel, damit er verstand, dass ich ihn zu mir einlud.
»Tickled«,
murmelte ich mit einem ermutigenden Lächeln.
    Seine Lippen zitterten, als wir uns küssten – es war fast so, als stotterte er. Und dann sagte er etwas Denkwürdiges, und ich weiß noch genau, dass er es ohne das leiseste Stottern über die Lippen brachte: »Wenn wir miteinander schlafen, werde ich, wie ich mich kenne, wohl nicht anders

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