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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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als einfachen Soldaten, der dieses Bollwerk hier in Wien stärken, Dollfuß stoppen und am Ende Hitler daran hindern will, Österreich zu annektieren.«
    »Stammt er aus einer linken Familie?«
    »Soweit ich weiß, eher nicht. Sein Vater, Harry St John Philby, ist in England so etwas wie eine kleine Berühmtheit. Kim hat erzählt, dass er in einem der englischen Expeditionskorps gekämpft hat, die die osmanischen Türken aus Arabien vertrieben haben. Seitdem hält er sich für einen Arabisten, hat sich Arabisch beigebracht, ist zum Islam konvertiert und nach Dschidda ausgewandert, wo er mit Ford-Autos handelt. Wenn Kims Vater überhaupt politische Ansichten pflegt, werden sie seiner großbürgerlichen Herkunft entsprechen.«
    »Weshalb ist sein Sohn dann Marxist und Sozialist geworden?«
    »Ich kann da nur Vermutungen anstellen, aber ein Grund könnte die Rebellion gegen seinen dominanten Vater sein, genau wie gegen die Unterdrückung durch die Klasse, in der er aufgewachsen ist. Kim spricht oft von der großen Arbeitslosigkeit in England infolge des Großen Krieges und der Großen Depression, und davon, dass Ramsey MacDonalds angeblich sozialistische Regierung nichts dagegen tut. Kims Weltsicht scheint sich während seiner ersten Jahre in Cambridge ausgebildet zu haben, wo alle seine engen Freunde links waren. Einige haben im Bergbau gearbeitet, bevor sie ein Stipendium erhielten. Kim selbst ist der Sozialistischen Gesellschaft der Universität beigetreten. Ich weiß nicht, ob es in Cambridge auch eine kommunistische Zelle gab, und falls ja, ob er auch dort Mitglied war. Aber es gibt absolut keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, gegen Hitler und den Faschismus zu kämpfen.«
    »Sie haben der Moskauer Zentrale hin und wieder schon ungarische und österreichische Genossen als potenzielle Rekruten vorgeschlagen. Wäre Ihr englischer Untermieter ebenfalls ein Kandidat?«
    »Intellektuell und emotional besteht kein Zweifel, auf welcher Seite er steht. Da er frisch von der Universität kommt, hat er allerdings kaum praktische Erfahrung in der Bildung von Zellen, mit Propagandatechniken und schon gar keine darin, im Untergrund zu leben. Aber er ist mental sehr agil …«
    Der Mann im Schatten unterbrach mich. »Was soll das heißen,
mental agil?
«
    »Dass er schnell lernt«, sagte ich.
    Ich konnte hören, dass der Mann im Schatten in sich hineinlachte. »Diejenigen von uns, die noch unter den Lebenden weilen, lernen alle schnell.«
    Mein Führungsoffizier warf einen Blick auf etwas, das sie sich mit Tinte in die Hand geschrieben hatte. (Ich nahm mir vor, mir das als Möglichkeit zu merken, Notizen zu machen, die sich nicht verlieren und leicht vernichten ließen.) »Wenn wir uns entscheiden sollten, Ihren Engländer zu rekrutieren«, sagte sie, »wie, glauben Sie, wird er reagieren?«
    »Kim? Er würde sich geschmeichelt fühlen. Er wäre begeistert.«
    »Würde er seine Anwerbung vor seiner Familie und seinen Freunden in Cambridge geheim halten können?«
    »
Mir
würde er es unbedingt erzählen wollen. Trotzdem lautet die Antwort auf Ihre Frage Ja. Ich glaube, er ist fähig, Dinge für sich zu behalten.«
    »Wäre er Ihrer Meinung nach nützlicher als, wie Sie es nennen, einfacher Soldat im Dienste des Bollwerks oder als verdeckt arbeitender Agent?«
    »Ich bin beides.«
    Der Mann im Schatten hatte Sinn für Humor. »Eins zu null«, sagte er mit einem Kichern.
    Mein Führungsoffizier hatte keinen Sinn für Humor. »Das ist kein Spiel«, sagte Arnold irritiert. »Wir legen den Grundstein für die Weltrevolution.«
    »Ganz meine Meinung«, bemerkte der Mann auf der anderen Seite des Zimmers. »Die Weltrevolution ist unser Ziel, aber erst müssen wir Aktivisten anwerben, die uns helfen, den Faschismus im Herzen Europas auszumerzen. Genossen, die bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, Waffen zu schmuggeln und Informationen über Regierungen und Milizen zu sammeln.«
    Mein Führungsoffizier wandte sich wieder an mich. »Ist Ihr Mr Philby Ihrer Meinung nach imstande, ein Doppelleben zu führen?«
    »Er ist sicher imstande, klar zu trennen. Ich habe erlebt, wie er auf der Terrasse des Cafés Herrenhof englische Bekannte davon überzeugt hat, dass er in Wien ist, um die örtlichen Sehenswürdigkeiten zu besichtigen und Schnitzel zu essen. Er müsste natürlich noch das grundlegende Handwerkszeug erlernen. Bei seiner Ankunft hier war er noch ziemlich grün hinter den Ohren, geradezu naiv, aber inzwischen ist er reifer

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