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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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glaube ich kein Wort von Ihrer Geschichte über die Geheimcodepille.«
    English lächelte. »War ja auch nur ein Versuch, sie so zu beeindrucken, dass Ihnen die Knie weich werden.«
    »Warum sollten Sie das versuchen?«
    »Weil ich hoffe, dass Ihnen die Knie weich werden.«
    Ich muss zugeben, dass ich eine Schwäche für Männer habe, die nicht lange um den heißen Brei herumreden. »Das sind sie längst,
so let’s do it«
, sagte ich mich bei Cole Porter bedienend.
    »Großartig. Tun wir’s.«
    »Mein Zimmer oder Ihres?«
    »Meines liegt direkt unter denen der Deutschen, und nachts geht der Aufzug nicht, weshalb die Heinkel-Piloten morgens um vier die Treppe heruntertrampeln. Dann fliegen sie los, um die republikanischen Linien zu bombardieren.«
    »Meines liegt gleich bei denen der italienischen Piloten, aber die brechen erst um sechs auf.«
    English sagte: »Um die Uhrzeit sollten wir gerade am Einschlafen sein.«
    So weit lag er mit seiner Einschätzung nicht daneben. Um sechs wusste ich nicht mehr, wie oft wir miteinander geschlafen hatten. Wir saßen rauchend im Bett (meine Old Gold, den Gestank seiner Gauloises bleues ertrug ich nicht), als die italienischen Piloten auf Strümpfen den Flur Richtung Treppe herunterkamen. Sie da draußen auf Italienisch flüstern zu hören, ließ uns beide kichern. »Du bist ein guter Geschichtenerzähler«, sagte ich. »Die Sache mit den Codes in Córdoba – je länger ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich dazu, dir zu glauben.«
    »Ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will.«
    »Es ist weniger deine Überzeugungskraft als der Umstand, dass alle sagen, wer für die
Times
arbeitet, sei beim britischen Geheimdienst. Randy Churchill ist überzeugt, du gehörst zum SIS. Bist du ein Spion, English
?
«
    »Nein.«
    »Und wenn, würdest du es mir sagen?«
    »Nein.«
    »Womit wir wieder am Anfang wären.«
    »Man ist nie wieder ganz am Anfang, Frances.«
    Näher sollte er einer Liebeserklärung nie kommen.
    Seine Geschichte, wie er die Codes einer Verdauungstablette gleich zerlutscht hatte, wollte mir nicht aus dem Kopf. Während sich unsere Lebenslinien immer enger miteinander verflochten – wir zogen zwar nicht zusammen, aber wenn er nicht unterwegs war, verbrachte er die Nächte meist bei mir –, begann ich zu begreifen, dass English ein geheimes Leben führte. Eine Frau spürt so etwas. Oh, er trank sehr viel und konnte sich darin mit den Besten messen: Man musste schon das Bett mit English teilen, um zu merken, wann er betrunken war. Nein, nein, es war weit mehr als seine Abhängigkeit vom Alkohol. Er selbst war es, der mich um besagte Armeslänge auf Distanz hielt, nicht ich ihn. Ich kam immer nur bis zu einem gewissen Punkt an ihn heran, dann stieß ich gegen etwas, das ich bei mir seine unsichtbare Mauer nannte.
    Ich versuchte, sie zu durchbrechen, hinüberzusteigen, sie zu umgehen. Ohne Erfolg. Wochen nach Beginn unserer Affäre probierte ich es auf eine andere Art. »Wen bewunderst du?«, fragte ich.
    »Warum fragst du?«
    »Es sagt viel über einen Mann aus, wen er bewundert. Staatsmänner? Sportler? Seefahrer? Geschäftsleute? Spieler? Schriftsteller? Gigolos?«
    Er überlegte eine Weile, genoss seinen soundsovielten Gin und fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand des Glases, bis es ein sanftes Seufzen von sich gab. »Felskletterer«, sagte er schließlich. »Ich bewundere Felskletterer.«
    »Wie einfallsreich. Und warum gerade Felskletterer?«
    »Wenn Sie erst einmal angefangen haben, eine Klippe hinaufzuklettern, wenigstens habe ich das gehört, gibt es kein Zurück mehr, nur noch den Weg nach oben. Egal, ob sie zittrige Knie bekommen, ob ihre A-A-Arme nicht mehr wollen oder sie der Mut verlässt, ihnen bleibt keine Wahl, sie müssen weiter hoch.«
    »Siehst du das Leben allgemein so?«
    Meine Frage schien ihn zu verblüffen. Es war fast so, als hätte ich einen Zug an ihm aufblitzen sehen, den er selbst noch nicht kannte. »Jetzt, da du es sagst, ja, so wird es wohl sein.«
    Bis zum Dezember 1937 blieb der Krieg, der, wie es hieß, die Iberische Halbinsel verheerte, für mich ziemlich abstrakt. Ich hatte nie einen Gewehrschuss gehört, der einen anderen Menschen töten oder verstümmeln sollte, und so war ich unfähig, mir die Gräben voller Soldaten vorzustellen, die ihre Angreifer reihenweise niederschossen. Sosehr ich mich auch bemühen mochte, sowenig gelang es mir, den Krieg mit den Augen von English zu sehen. Wobei ich ihm zugestehen muss, dass er

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