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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ohrenbetäubende Stille, auf die leises Stöhnen folgte. Soldaten brachen die Türen auf, die voller Schrapnelllöcher waren. Bradish Johnson fiel mit schwarzem Gesicht kopfüber auf die Straße. Leblos. Der arme Sheepshanks neben Johnson keuchte und würgte, weil er nicht genug Luft bekam. Sein Kopf war aufgerissen, und heraus floss, was English für sein Gehirn hielt. Die Soldaten zogen den leblosen Robson auf die Straße und holten Ed Neil vom Rücksitz. Sein linkes Bein war von Metallsplittern bis auf den Knochen aufgerissen. English blutete aus einer Kopfwunde und drückte einen Handschuh darauf, um den Blutfluss zu stoppen. Er beugte sich über Neil, dessen Lippen Worte formten. Endlich verstand English sein Flüstern: »Tu mir den Gefallen, und hab ein Auge auf meine Schreibmaschine, okay?«
    Ein Militärkrankenwagen brachte die fünf Journalisten zu einer Verbandsstation in Santa Eulalia. Robson und Bradish Johnson wurden bei der Ankunft für tot erklärt, Sheepshanks kam nicht wieder zu Bewusstsein. Die Ärzte gaben ihr Bestes, um Neils Bein zu retten, und dann Neil selbst, als Wundbrand einsetzte. Er starb am späten Abend des nächsten Tages. English war, nachdem die Ärzte seine Kopfwunde genäht und verbunden hatten, medizinisch gesehen in bester Verfassung. Ich erfuhr von alledem erst, als er am ersten Tag des Jahres 1938, der zufällig sein Geburtstag war, mit verbundenem Kopf und verkrustetem Blut auf der Jacke im Speisesaal auftauchte und sagte: »Ich b-b-brauche unbedingt w-w-was zu trinken.«
    Seine Hände zitterten so fürchterlich, dass er das Brandyglas nur mühsam mit beiden Händen an die Lippen führen konnte.
    Es muss kurz vor Mitternacht gewesen sein, als er endlich zu zittern aufhörte. Er lag neben mir, unsere Hüften berührten sich, und ich spürte, wie er sich der Kontrolle über seinen Körper versicherte. Als er ganz still dalag, flüsterte ich ihm ins Ohr: »Deine Stärken sind offensichtlich, deine Schwächen nicht.«
    »Ich erlaube mir k-k-keine Schwächen.«
    Ich dachte eine halbe Zigarettenlänge darüber nach und sagte dann: »Genau das ist deine Schwäche.«
    »Ah. Du magst recht haben, Frances.«
    Natürlich wurde English dadurch über Nacht zu einer Sensation. Fotografien von ihm erschienen zuerst in den örtlichen spanischen Zeitungen, dann verbreitete sich die Geschichte vom Korrespondenten der
Times,
der dem Tod ins Auge gesehen hatte, während seine Freunde um ihn herum getötet wurden, auch in England und auf dem europäischen Kontinent. In der Hotelbar kamen völlig Fremde auf ihn zu, um ihm die Hand zu schütteln. In der Rückschau scheint mir, dass dieser neue Ruhm zu unserer Trennung mit beigetragen haben muss. Bis Teruel war ich die Berühmtheit von uns zweien gewesen. Bisweilen erkannten mich Engländer oder Kanadier wieder, meist aus
The
Water Gipsies
oder
Dark Red Roses,
und wollten ein Autogramm. Wenn jetzt Engländer oder Kanadier – Franzosen, Italiener, Deutsche, Holländer – zu uns an den Tisch traten, stellte mich English immer schnell vor. »Sie kennen sicher Frances Doble«, sagte er, und meist bekam ich ein freundliches Lächeln oder ein flüchtiges Nicken, bevor sich die jeweilige Person erneut ihm, der er jetzt eindeutig im Rampenlicht stand, zuwandte. Oh, bitte, denken Sie nicht, ich sei eifersüchtig gewesen. Ich glaube ehrlich nicht, dass ich zu Eifersucht fähig bin. Es war wohl nur einfach so, dass mein Ego ein gewisses Maß an Nahrung brauchte und ich mich, wie die meisten Schauspielerinnen, die ihre besten Jahre schon hinter sich haben, unbehaglich fühlte, wenn es diese Nahrung nicht bekam.
    English und ich stritten jetzt öfter, und das wegen völlig lächerlicher Dinge, zum Beispiel darüber, wer nun von uns das eine oder andere Restaurant vorgeschlagen hatte oder warum er immer zu mir kam und mich nie zu sich einlud (nach Teruel standen die Italiener immer zur gleichen Zeit auf wie die deutschen Piloten, aber wir waren ohnehin immer so müde, dass wir nichts von ihnen hörten). All diese kleinen, unsere Beziehung weiter und weiter zersetzenden Misslichkeiten fanden ihren Höhepunkt, als Englishs Pelota-Partner Pablo del Val, der Chef der militärischen Zensurbehörde, eines Morgens nicht lange nach Englishs Rückkehr aus Teruel anrief. (Natürlich rief er in
meinem
Zimmer an und verlangte ohne jedes
¡buenos días!,
English zu sprechen.) English hielt den Hörer ein Stück vom Ohr weg, sodass ich die Unterhaltung mithören konnte.

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