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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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amerikanische Zeitschrift lesen, die
News-Week
heiße. Der Schwede werde ihn befragen und mit neuen Codes, Geld und Instruktionen ausstatten. »Ich kann Ihnen versprechen, dass Ihr Auftrag für die Zentrale in Moskau hohe Priorität hat«, sagte ich. »Wichtige Genossen in der sowjetischen Hauptstadt werden beobachten, was Sie leisten.«
    »Haben sie das gesagt?«
    »Das müssen sie nicht. Die Tatsache, dass sie Orlow schicken, einen der erfahrensten Führungsoffiziere für solche Einsätze, sagt alles. Ich kenne ihn persönlich. Er war ein Kriegsheld und hat sich nach der bolschewistischen Revolution in der Roten 12. Armee bei Kämpfen an der polnischen Front hervorgetan. Lassen Sie sich nicht von seiner Art vergraulen. Er ist ruppig, aber sachlich, ein treues Parteimitglied und ein standhafter Genosse. Sie können ihm Ihr Leben anvertrauen.«
    Sonny fuhr mit dem Daumen über die Liste auf der linken Seite des Reispapiers. »Sieht ganz so aus, als müsste ich das auch.«

Kapitel 6
    Salamanca, Spanien, im Dezember 1937:
English
stellt fest, dass der einzige Ausweg nach oben führt
    Es hat seine Nachteile, eine gefeierte Film- und Theaterschauspielerin zu sein. Die Männer nehmen dann einfach an, dass du nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Leben eine Rolle spielst.
English,
wie ich ihn von dem Moment an nannte, als ich das erste Mal sein vornehmes britisches Stottern hörte, ging auch davon aus. Er saß beim Mittagsessen an der anderen Seite der Tafel im Grand Hotel in Salamanca, Francos militärischem Hauptquartier, sagte wenig, aß noch weniger und lutschte Tabletten, die er aus einer kleinen Dose fischte, während er eine von diesen ekligen, in der Arbeiterklasse so beliebten französischen Zigaretten rauchte. Er schien ganz fasziniert von einer Gruppe deutscher Militärberater, deren Aufzug etwas Operettenhaftes hatte und die an einem langen, für sie reservierten Tisch in der Mitte des Speisesaals aßen. Oberstleutnant Wolfram von Richthofen, ein Cousin des legendären Flieger-Asses aus dem Großen Krieg, Manfred von Richthofen, unterhielt eine Gruppe junger Messerschmitt-Piloten der Legion Condor, indem er mit beiden Händen den tödlichen Kampf zweier feindlicher Flugzeuge nachstellte. Zwischendurch sprang an einem anderen Tisch immer wieder einer der italienischen Fiat-Piloten auf und prostete den deutschen Kameraden zu. Richthofen, der Stabschef der Legion Condor, ließ seinen Mantel hinter sich auf den Stuhl gleiten, erhob sich und nahm die Trinksprüche entgegen. Erst als wir bei Kaffee und Brandy ankamen, schien English meine Anwesenheit zu bemerken. Er hob den Blick und sah mich mit Augen so wunderbar blau wie Rotkelcheneier an, als gäbe es zwischen uns bereits ein geheimes Einverständnis. Als stünde es geschrieben, dass wir miteinander intim werden würden. Nach dem Essen ging unser Gastgeber Randy Churchill, der darauf baute, mit dem englischen Pfund einen Trumpf gegenüber der Peseta in Händen zu halten, die Rechnung nachverhandeln. Es saß kaum mehr jemand am Tisch, als English durch den Lärm des Restaurants zu mir herüberrief: »Und welche R-R-Rolle haben Sie heute gespielt?«
    »Wie bitte?«
    »Welche Rolle. Wer haben S-S-Sie zu sein versucht?«
    »Es ist ganz schön arrogant, jemandem, den Sie nicht kennen, so eine Frage zu stellen.«
    Als ich das verschmitzte Funkeln in seinen Augen sah, zuckte ich verdrossen mit den Schultern. »Ich habe
versucht,
wie die kanadische Schauspielerin zu sein, die ihre Bewunderer durch einen leicht frostigen Ton und ein Kräuseln der Lippen zu einem ironischen Lächeln auf Distanz hält.«
    »Haben Sie das v-v-vorm Spiegel geübt?«
    »Wer zum Teufel sind Sie?«
    »Sie machen das sehr gut. Der frostige Tonfall, das Kräuseln Ihrer Lippen zu einem im Übrigen entzückenden Lächeln. Ich habe das unangenehme Gefühl, selbst bei einer Distanz auf Armeslänge könnte ich mir immer noch die Finger an Ihnen verbrennen. Nun, danke. Ich muss los.«
    »Wer war das?«, fragte ich meinen Gastgeber, als er zurück an den Tisch kam. »Der Engländer schräg gegenüber von mir?«
    »Das war Philby, meine Liebe. Der Korrespondent der
Times
in Spanien. Ist er wieder mal ins Fettnäpfchen getreten? Es heißt ja, ›Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‹, aber Philby lebt nach einer ganz anderen Devise. Er hat die widerliche Angewohnheit,
immer
zu sagen, was er denkt.«
    Ein paar Tage später sah ich English wieder. Ich weiß noch, dass ich einen eng anliegenden,

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