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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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mich aufzuklären versuchte und mir fürchterliche Gräuelgeschichten erzählte, die aufseiten der Nationalisten wie auch der Republikaner geschahen. So erinnere ich mich an die Geschichte der Frau eines Kommunistenführers, die vor ihrer Hinrichtung von jedem einzelnen Mitglied ihres Erschießungskommandos vergewaltigt wurde. Als English mir die Geschichte erzählte, gerieten wir in Streit. Ich sagte, er könne nicht wissen, ob das tatsächlich so passiert oder nur Propaganda sei. Er erwiderte, seine Quelle sei absolut zuverlässig, aber natürlich wollte er mir nicht sagen, wer diese Quelle war.
    English hatte die Angewohnheit, sich mit Gin zu stärken, bevor er zur täglichen Informationsvergabe durch den Presseattaché des Generals in den vierten Stock des Hotels ging, und er nahm alles, was dort gesagt wurde, mit einer Prise Skepsis auf. Zweimal in der Woche spielte er mit Pablo del Val, dem Chef der militärischen Zensurbehörde, Pelota und hoffte, dadurch die eine oder andere exklusive Information zu ergattern. Das Einzige, was ihm seine Mühe eintrug, war jedoch Muskelkater. Gelegentlich vermochte er eine Exkursion durchzusetzen, wenn die Nationalisten die kurze Leine etwas lockerten, an der sie die Journalisten hielten, doch selbst dann wurden er und seine Kollegen ständig von einer Gruppe Presseoffiziere begleitet und durften nur mit von diesen vorher ausgewählten Soldaten und Offizieren reden. English besprach sich mit seinen Freunden der vierten Macht regelmäßig unten in der Bar des Hotels, wo sie einen Tisch reserviert hatten. Ich war oft dabei, hatte aber Schwierigkeiten, der Unterhaltung zu folgen. Die Sätze waren voll von militärischem Jargon und geografischen Angaben, die ich nicht verstand. Dennoch begriff ich, was die Stunde geschlagen hatte, wie Ernie Sheepshanks von Reuters es ausdrückte: Niemand in Francos militärischem Hauptquartier dachte, die Republikaner könnten am Ende den Sieg davontragen, geschweige denn das Territorium halten, das sie bislang noch in ihrer Gewalt hatten. Ein Sohn Mussolinis, Bruno, kommandierte ein eigenes Bombergeschwader. Ich war ihm auf einer Cocktailparty zum ersten Jahrestag des Eintreffens der afrikanischen Armee in Spanien vorgestellt worden, und ich weiß noch, dass er es ähnlich ausdrückte, wobei jedoch bei ihm eine widerliche Häme mitschwang.
    Tage vor einem der, wie sich herausstellen sollte, kältesten Weihnachtsfeste seit Menschengedenken, herrschte im Grand Hotel große Aufregung. Zur allgemeinen Verwunderung hatten die Republikaner, offenbar angetrieben von ihren russischen Beratern, die Provinzhauptstadt Teruel eingenommen. English zeigte sie mir auf der Karte. Sie lag ein Stück landeinwärts auf der Mittelmeerseite der Halbinsel und war von einem der deutschen oder italienischen Piloten, die sie bombardiert hatten, rot eingekreist worden. Am Tisch der Korrespondenten kam es zu einer hitzigen Debatte um den Wert dieses republikanischen Feldzuges. Allgemein stimmten alle überein, dass ein schneller Propagandasieg zwar die schwindende Moral aufbessern mochte, daraus aber kein strategischer Vorteil entstehen würde. Robson vom
Daily Telegraph
war in Teruel gewesen, als die Nationalisten es zuvor eingenommen hatten. Da es den ausländischen Journalisten verwehrt war, nach Teruel zu fahren, stammte ein Gutteil des Lokalkolorits in den nachfolgenden Berichten an die Heimatblätter von Robson: Dass Teruel eine öde, von Mauern eingefasste Stadt mit sibirischen Wintern sei und die Soldaten Möbel verfeuerten, um aus dem Schnee Trinkwasser zu gewinnen. Dass beide Seiten mehr Verluste durch den Frost als durch Kugeln zu erwarten hätten und die Partei, die La Meula halte, den Gipfel, der sich über die Stadt erhob, damit rechnen dürfe, die Schlacht zu gewinnen. Englishs Artikel waren so detailliert, dass er ein Telegramm von Ralph Deakin, dem für die Außenpolitik zuständigen Redakteur der
Times,
erhielt, der seine Arbeit lobte. Ein anderer Stammgast am Korrespondententisch war Ed Neil von
Associated Press,
der behauptete, eine Quelle in der Generalität Francos zu haben, die berichte, Franco wolle den Republikanern nicht mal diesen einen unbedeutenden Triumph gönnen und habe deshalb eine enorme Armee an der Front in Teruel zusammengezogen. Es war Neil, der uns über die Entwicklung des nationalistischen Gegenangriffs informierte. Nachdem Francos Truppen die Republikaner mit dem schwersten Artilleriefeuer des Krieges sturmreif geschossen hatten

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