Philosophenportal
Alleinvertretungsanspruchs der katholischen Kirche gegenüber
anderen christlichen Glaubensrichtungen, aber auch Teil des Kampfes, den Augustinus führte, um seine Position innerhalb der
Kirche durchzusetzen. Das Buch schrieb er in seiner ohnehin knapp bemessenen Freizeit. Als Bischof hatte er nicht nur seelsorgerliche
Aufgaben, er musste auch weite Strecken zurücklegen, um an Zusammenkünften vom Kirchenvertretern teilzunehmen. Bischof in
einer jungen, strukturell noch nicht gefestigten Kirche zu sein bedeutete Engagement rund um die Uhr.
Zwischen dem Bekehrungserlebnis und dem Abfassen der
Bekenntnisse
liegen somit mehr als zehn Jahre, in denen nicht nur im Leben des Augustinus, sondern auch in seinem Denken wichtige Entwicklungen
stattfanden. Aus dem klassisch gebildeten Rhetor war ein Theologe, aus dem Liebhaber der antiken Kultur ein Eiferer gegen
die |29| weltliche Bildung geworden. Der Karriere-Intellektuelle hatte sich zu einem Intellektuellen im Dienst der Kirche gewandelt.
In den
Bekenntnissen
setzt sich Augustinus mit seiner Lebensgeschichte bis zu seiner Bekehrung auseinander. Doch es handelt sich nicht um eine
normale Autobiografie. Die letzten Kapitel des Buchs haben sogar überhaupt nichts mehr mit dem Leben des Autors zu tun und
widmen sich ganz der Ausdeutung der biblischen Schöpfungsgeschichte. Die Bedeutung des lateinischen Wortes »confessio« ist
vielfältig: Es meint Sündenbekenntnis im Sinne einer Beichte, Glaubensbekenntnis und Gotteslob gleichermaßen. Die
Bekenntnisse
umfassen alle diese Bedeutungen. Sie sind ein persönliches, religiöses und philosophisches Bekenntnisbuch, aber auch ein Missionierungsbuch,
das seine eigentliche Kraft erst dann entfaltet, wenn es vor einer Zuhörerschaft laut vorgelesen wird, wie es zu Augustinus’
Zeiten auch üblich war.
Das Buch enthält mindestens drei miteinander verwobene Themenbereiche beziehungsweise Auseinandersetzungen: eine theologische
Auseinandersetzung, das heißt die von Augustinus vorgenommene Deutung der christlichen Lehre; damit eng zusammenhängend die
Geschichte seiner eigenen geistigen und persönlichen Entwicklung bis hin zum Bekehrungserlebnis; und schließlich philosophische
Fragestellungen, die weit über die Theologie hinausreichen und die westliche Philosophie bis heute beeinflusst haben.
Die »Bekenntnisse« des Augustinus sind also Bekenntnisse aus einer bestimmten Perspektive. Die eigene Lebensgeschichte soll
als theologisches Exempel dienen, um Anhänger zu gewinnen und um für eine bestimmte Sicht des Glaubens zu werben. Im Mittelpunkt
des Buchs steht das Bekehrungserlebnis. Alles, was vorher war, wird auf dieses Ereignis zulaufend, und alles, was später kam,
von diesem Ereignis herrührend geschildert. Augustinus beschreibt seine Hinwendung zum Christentum als einen Vorgang, der
sich in langen Jahren und in schweren inneren Kämpfen vorbereitet hatte und sich in einer Art Erleuchtung Durchbruch verschaffte.
Die
Bekenntnisse
schildern das Leben des Augustinus vor seiner Bekehrung als einen von Gott inszenierten beispielhaften Glaubensfindungsprozess.
|30| Das Werk enthält bereits vieles von dem, was später als augustinische Lehre in die christliche Theologie Eingang fand. Großen
Einfluss auf diese Lehre übten die Schriften des Apostels Paulus aus, der im 1. Jahrhundert n. Chr. die neue Religion im Mittelmeerraum verbreitet hatte und dessen Missionierungsbriefe in das Neue Testament aufgenommen
worden waren. Zwischen Paulus und Augustinus gab es viele Gemeinsamkeiten: Beide waren sie Intellektuelle, die erst spät zum
Christentum übertraten und dennoch dieser jungen Religion ihren philosophischen Stempel aufdrückten. Nicht zufällig setzt
Augustinus seine Bekehrung in einen engen Zusammenhang mit der Lektüre eines Paulus-Textes.
Von Paulus beeinflusst vertritt Augustinus in den
Bekenntnissen
vor allem zwei sehr grundlegende theologische Lehren: die Prädestinations- oder Gnadenlehre und die Lehre von der Erbsünde.
Nicht durch eigene Werke werden wir des Himmels würdig, sondern nur durch den Willen Gottes. Im Willen Gottes ist es prädestiniert,
das heißt vorherbestimmt, wer in den Himmel aufgenommen und wer zur Hölle verdammt wird. Auserwählt sind nur wenige, und verdient
hat es niemand. Diese scheinbar willkürliche Auswahl Gottes unter den Menschen kann Augustinus nur rechtfertigen, wenn er
gleichzeitig annimmt, dass kein Mensch durch eigenes
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