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bekämpfenden Prinzipien: dem Prinzip des Bösen und dem Prinzip
des Guten. Die Welt verstanden sie als ewigen Kampf des Reiches des Bösen mit dem Reich des Guten. Die Manichäer waren vor
allem aus zwei Gründen für Augustinus attraktiv: Sie konnten das Böse in der Welt erklären, und sie standen der antiken Philosophie
mit ihrer Betonung der Vernunft aufgeschlossen gegenüber.
Beides zog Augustinus an. Doch es gab noch einen weiteren Grund, weswegen er neun Jahre lang einer ihrer Anhänger blieb. Die
Manichäer bildeten in römischen Institutionen das, was man eine »Seilschaft« nennen könnte: ein Netzwerk von Beziehungen,
das auch Augustinus in seiner akademischen Karriere immer wieder behilflich war.
Die Verbindung zu den Manichäern war es auch, die ihm die Stelle als Rhetoriklehrer an der kaiserlichen Residenz in Mailand |27| verschaffte. Man hoffte, er werde den Gegenpart des dort residierenden christlichen Bischofs Ambrosius einnehmen. Doch die
Begegnung mit Ambrosius führte im Gegenteil zu seiner Annahme des christlichen Glaubens, nach Kräften gefördert von der Mutter,
die dem jungen Akademiker inzwischen nach Italien gefolgt war.
Der aus Trier stammende Ambrosius, einer der bekanntesten Kirchenlehrer des frühen Christentums, überzeugte den Intellektuellen
Augustinus durch die Art, wie er den christlichen Glauben mit philosophischen Argumenten stützte. Ambrosius war als Theologe
vom Neuplatonismus beeinflusst, einer von dem Philosophen Plotin im 3. Jahrhundert geprägten Strömung, die die Philosophie Platons in eine mystische Richtung fortentwickelte. Plotin behauptete,
die gesamte Wirklichkeit sei durchdrungen von dem »Einen«, einem geistigen Prinzip, das in verschiedenen Graden in die Wirklichkeit
»ausströmt« und an den Dingen teilhat. Vor allem aber lieferte der Neuplatonismus eine völlig andere Erklärung des Bösen als
die Manichäer: Das Böse ist danach keine selbstständige, positive Kraft, sondern ein Mangel. Böse ist das, was sich von dem
geistigen Urprinzip des Einen entfernt, was am wenigsten vom Einen durchdrungen ist. Das gilt besonders für alle materiellen
Dinge. Diese neuplatonische Erklärung des Bösen hat Augustinus auch noch in den
Bekenntnissen
vertreten, wobei er das neuplatonische Eine mit dem christlichen Gott identifiziert.
Augustinus’ Bekehrung fand im Jahr 386 statt, als er gerade zweiunddreißig Jahre alt war. Sie war ein Wendepunkt, von dem
an sein Leben sich radikal veränderte. Er gab nicht nur seine Tätigkeit als Rhetoriklehrer auf, sondern wählte die von vielen
frühen Christen propagierte Lebensform des Zölibats. Er entschloss sich, zusammen mit Freunden ein zurückgezogenes, beinahe
klösterliches Leben zu führen. Gemeinsam zogen sie zunächst in das nördlich von Mailand gelegene Landgut Cassiciacum, um sich
ganz in religiöse Inhalte zu versenken und ein neues Leben zu beginnen. Erst nach einem Jahr ließ sich Augustinus in Mailand
offiziell taufen.
Das Christentum hatte sich im späten Römischen Reich von einer orientalischen Sekte zur einflussreichsten Religion des Reiches |28| entwickelt. Unter Kaiser Konstantin war den Christen 313 zunächst staatliche Toleranz garantiert worden. 391, fünf Jahre nach
Augustinus’ Bekehrung, wurde es offiziell zur Staatsreligion erklärt. Doch die römische Bildungselite sah eher verächtlich
auf diese plebejische und philosophisch unausgereifte Religion herab. Gelehrte bekannten sich eher verschämt oder heimlich
zu ihr. Auch im Kaiserhaus hatte das Christentum noch Gegner. Augustinus wusste, dass Christsein für eine akademische Karriere
nicht unbedingt förderlich war. Er wusste aber vermutlich auch, dass mit dieser Religion eine zukünftig sehr mächtige geistige
Kraft heranwuchs, die ihm selbst, einem ehrgeizigen und stolzen Intellektuellen, Möglichkeiten der geistigen Einflussnahme
bot.
Diese Möglichkeiten öffneten sich ihm sehr bald nach seiner Rückkehr in seine nordafrikanische Heimat. Auf Drängen der dortigen
Christen empfing er zunächst die Priesterweihe und ließ sich wenig später auch zum Bischof der Stadt Hippo Regius machen.
Er war damit ein offizieller Repräsentant des Christentums geworden, der in öffentlichen theologischen Kontroversen Stellung
beziehen musste. In diesen ersten Jahren als Bischof, zwischen 397 und 401, entstanden die
Bekennntisse.
Sie waren Teil eines kirchenpolitischen Kampfes zur Durchsetzung des
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