Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
Vom Netzwerk:
Franzi?«, kam die Stimme aus der Küche.
    »Ja, Mutter.«
    »Ich werde dir ein wenig von dem Reisfleisch aufwärmen, dann hast du eine gute Unterlage.«
    Franz Jäger sagte nichts, machte aber keinen sehr begeisterten Eindruck. Er saß eher teilnahmslos im großen Fauteuil im Wohnzimmer und bohrte in seiner Nase. Immer, wenn er das Gefühl hatte, dass ihm gerade niemand zusah, bohrte er in der Nase.
    »Möchtest du nicht?«
    Er nahm die Brille ab und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Es schien, als dächte er kurz nach, wie viel Sinn es hatte, eine Antwort zu geben.
    »Du musst natürlich nicht, wenn du nicht willst. Ich habe nur gedacht, bevor du unnötig Geld ausgibst … Ist das Essen überhaupt gut im Kaffeehaus? Man hört ja jetzt so viel, dass sie überall nur mehr die vorgefertigten Sachen nehmen und in die Mikrowelle hineinstellen. Das ist nichts für unsereins, denke ich mir dann immer, das ist nicht gesund. Also überleg dir’s. Aber sag jetzt bitte nicht nein, es ist schon so gut wie fertig.«
    Franz Jäger zog es vor zu schweigen. Dann, nach einem kurzen Blick auf den Teller, protestierte er dennoch: »Nicht so viel, Mutter, nicht so viel.«
    »Hättest du etwa mehr Salat gewollt?«
    Er sagte wieder nichts, sondern begann, den Inhalt des Tellers mechanisch in sich hineinzumampfen. Vor ein paar Jahren hätte er sich dabei noch Sorgen um seine Figur gemacht, jetzt tat er das nicht mehr. Natürlich, er aß zu viel und machte zu wenig Bewegung. Der Beruf eines Buchhalters verlangte einem ja auch nicht gerade großartige Fitness ab. Das Essen schmeckte eben viel zu gut, vor allem zu Hause. Seine Mutter kümmerte sich um ihn und las ihm jeden Wunsch von den Augen ab. Jetzt, mit Mitte 30, begann er es zu merken. Das Gesicht unter seiner Schubertlocke wurde voller, die Anzüge begannen, beim Zuknöpfen Schwierigkeiten zu machen. Aber er wollte nicht viel darüber nachdenken, wie er dem entgegenarbeiten konnte.
    Er musste sich über andere Dinge den Kopf zerbrechen.
    Valerie Jäger fragte nicht, ob er Lust auf mehr habe, sondern räumte den Teller ab. »Sag einmal, worüber redet ihr eigentlich den ganzen Abend?«, wollte sie dann wissen.
    »Ach, über dies und jenes. Es sind eben Gespräche mit philosophischem Hintergrund«, gab Franz zögernd Auskunft.
    »Ja, ja, so heißt es immer. Dabei habe ich das Gefühl, ich könnte bei einem Großteil der Themen mitdiskutieren. Der bloße Hausverstand müsste da auch genügen.«
    »Eben nicht, Mutter. Es ist keine Wirtshausplauderei. Wir suchen nach einer tiefgreifenderen Lösung von Problematiken. Eine Sache wird von allen möglichen Seiten betrachtet, es gibt Thesen, Antithesen und Verweise auf bisher Gedachtes, und am Schluss wollen wir alle der Wahrheit ein bisschen näher sein.«
    »Der Wahrheit ein bisschen näher sein. Na bitte, wenn ihr glaubt. Du brauchst keine Angst zu haben, ich werde nicht an eurem Gespräch teilnehmen. Ich muss ohnehin hinüber und ein bisschen bei Frau Pelinka aufräumen, und hier zu Hause ist auch noch einiges zu tun. Aber ich könnte dich mit dem Auto abholen.«
    Bloß das nicht, dachte Franz Jäger. Er sagte: »Es kann spät werden. Ich fahre mit der Straßenbahn oder gehe zu Fuß.«
    »Es ist kalt.«
    »Das macht mir nichts aus.«
    Eine Weile huschte Valerie im Zimmer auf und ab, scheinbar geschäftig, aber ohne, dass sich erkennen ließ, was sie eigentlich wollte. »Ist es wegen dem Mädchen?«, erkundigte sie sich dann spontan.
    »Wegen welchem Mädchen?« Franz Jäger kaute nervös an einem Zahnstocher im Mund.
    »Nun, wegen dem Mädchen, das wir unlängst beim Einkaufen getroffen haben. Du hast mich einfach stehen lassen und ein intimes Gespräch mit ihr angefangen.«
    Veronika! Franz Jäger begann zu schwitzen. Er mochte sie, sogar sehr. Dass seiner Mutter das gleich aufgefallen war. Er hatte das Gefühl, dass Veronika gut zu ihm passte und ihm helfen würde, etwas an seiner Situation zu ändern. Sie war so aufgeschlossen, so anders als alle, die er bisher kennengelernt hatte.
    »Ja, es ist wegen ihr«, hörte er sich mit Bestimmtheit sagen. »Ich liebe sie. Ich werde sie heiraten.«
    Es war aus ihm herausgeplatzt, einfach so. Sein innigster Wunsch, sein am besten gehütetes Geheimnis. Was hatte er bloß angerichtet? Aus einem Impuls heraus hatte er gesprochen und nicht die Folgen überlegt. Fragen über Fragen würden jetzt kommen, Feststellungen, Belehrungen. Dabei war er sich ja überhaupt nicht sicher, ob Veronika

Weitere Kostenlose Bücher