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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Fassung wiederzuerlangen. »Viel schlimmer«, kam es kaum hörbar aus seinem Mund. »Sie kommt. Morgen schon. Und über die Feiertäg bleibt sie dann auch.«
     

2
    Es wurde jetzt früh dunkel. Die Dämmerung kroch ab dem Mittag heran, unbarmherzig wie die Kälte. In den Wohnungen musste man oft schon zeitig am Nachmittag das Licht aufdrehen, um noch etwas zu sehen. So entstand an den Häusern rasch ein heller Tupfen neben dem anderen, die zusammen mit der Straßenbeleuchtung bald eine unübersehbare Lichterkette bildeten, obwohl offiziell noch Tag war.
    An den meisten dieser Lichttupfen deuteten geschlossene Vorhänge und heruntergelassene Jalousien an, dass man jetzt unter sich sein und niemandem Einblick in sein Privatleben gewähren wollte. Bei einer kleinen Wohnung in der Pilzgasse war das jedoch anders. Dort konnte an diesem Donnerstagnachmittag jeder hineinschauen, der Lust und Gelegenheit dazu hatte. Und das Dargebotene war nicht von schlechten Eltern: Ein nackter Frauenrücken vollführte allerlei laszive Bewegungen, vor allem dessen delikater unterer Teil wippte so schamlos hin und her, dass nicht viel Vorstellungskraft dazu gehörte, die Art des Vorganges und den männlichen Gegenstand, der darin verwickelt war, zu erraten.
    Veronika Plank liebte es, sich öffentlich so zur Schau zu stellen. Es vervollkommnete ihre Befriedigung, wenn sie sich ausmalte, dass sie ein geiler alter Bock oder dessen angewiderte Ehefrau vom gegenüberliegenden Haus beobachteten. Im Sommer hatte sie ihre Fenster weit geöffnet, um die ganze Nachbarschaft auch akustisch an ihrem Liebesleben teilhaben zu lassen. Jetzt war es leider zu kalt dazu.
    Aufgrund dieser exhibitionistischen Neigung und einer gewissen Unregelmäßigkeit in der Wahl ihrer Partner wurde sie in ihrer Umgebung nur ›die kleine Hure‹ genannt. Sicher ein zu hart gewählter Ausdruck, ein vorschnelles Urteil. Gerechter wurde man Veronika Plank, wenn man ihr eine allgemeine Unangepasstheit und eine Tendenz zum Flatterhaften attestierte. Für ihre Lebensauffassung war sie wahrscheinlich zu spät geboren. Sie hätte gut in die Zeit Ende der 60er-Jahre gepasst: Make love, not war! Sex, drugs – ein paar nicht nennenswerte Versuche – and rock and roll! Nieder mit der Bourgeoisie! Mit diesen Mottos von damals kam man der Wirklichkeit schon näher.
    Sie hatte sich in einigen Studienrichtungen versucht, ehe sie schließlich beim Fach Biologie gelandet war. Dort hatte sie jenen Mann kennengelernt, der gerade unter ihr langsam dem höchsten Lustgewinn entgegenstrebte: Jochen Angerer, Anfang 30 und damit etwas älter als sie, ewiger Student. Er hatte sie zur Tierschützergruppe PTA gebracht, die mit manchen ihrer Aktionen bereits in der Tagespresse und vor Gericht gelandet war. Dort konnte Veronika ihrem Hang zu Protesten, Demonstrationen und jeder anderen Art des antibürgerlichen Sich-zur-Schau-Stellens freien Lauf lassen. Es verursachte bei ihr ein ähnliches Prickeln wie beim jetzigen halböffentlichen Geschlechtsakt, wenn sie dabei war, die Grenzen der Legalität auszuloten.
    Als alles vorüber war, lehnte Veronika, angenehm entspannt, am offenen Fenster und blies den Rauch ihrer Zigarette durch beide Nasenflügel ins Freie. Dabei ließ sie, obwohl sie sich in eine Decke eingehüllt hatte, genug von ihren Brüsten sehen, um Voyeuren wie Moralaposteln gleichermaßen einzuheizen. Sie dachte nach. Sie war sich seit geraumer Zeit ziemlich sicher, dass sie dieses Leben trotz allem nicht so weiterführen wollte.
    Angerers hagere Gestalt lag auf dem Rücken im Bett. Er paffte ebenfalls und beobachtete mit seinen kurzsichtigen Augen durch die dicke Hornbrille, wie der Rauch Richtung Decke zog. »Du gehst heute Abend zu diesem … Treffen?«, fragte er nach einer Weile.
     
    »Zum Philosophenstammtisch? Ja, das weißt du doch«, kam die Antwort. Veronika blieb dabei von ihm abgewendet. Sie hatte erwartet, dass er sie darauf ansprechen würde.
    »Ich möchte nicht, dass du hingehst.«
    »Sag einmal, was soll das schon wieder? Das geht dich überhaupt nichts an.«
    Angerer richtete sich im Bett auf. »Schau, Veronika«, versuchte er sie zu überzeugen. »Wir hatten heute einen tollen Nachmittag. Und da möchte ich nicht, dass du …«
    »Du weißt, dass wir keinerlei Bindung zueinander haben – außer in unserer Gruppe natürlich«, fiel sie ihm ins Wort. Dabei schloss sie das Fenster und drehte sich ihm wieder zu. »Auch wenn der Nachmittag toll war, kann jeder von uns tun

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