Philosophenpunsch
sehr schön! Komisch, dass wir nicht schon früher auf diesen Schlüssel gestoßen sind. Wo haben Sie ihn denn jetzt?«
»Er ist … einen Augenblick! Wo ist er denn?«
»Haben Sie ihn denn schon wieder verlegt?«, erkundigte Valerie Jäger sich neugierig.
»Nein, ausgeschlossen!« Gerlinde Pelinka dachte einen Augenblick nach. »Hier in der Westentasche hab ich ihn, ja. Jetzt kann wirklich nichts passieren«, vermeldete sie dann stolz.
»Glauben Sie?« Valerie Jäger, die leicht gebückt gestanden war, richtete sich auf. »Ich bin da anderer Ansicht. Sie nehmen den Schlüssel heraus, um zu prüfen, ob er noch da ist, legen ihn irgendwo hin und vergessen wieder, wo er ist. Das haben wir doch schon etliche Male so gehabt. Es ist immer dasselbe. Nein, nein, am besten, Sie geben ihn mir.«
»Aber ich brauche ihn doch!«
»Sie verstehen mich jetzt vielleicht falsch, Frau Pelinka«, kam es von Valerie mit leichter Ungeduld. »Ich will Ihnen den Schlüssel nicht wegnehmen. Ich möchte ihn nur an einem sicheren Ort aufbewahren. Wir schreiben dann auf vielen Zetteln auf, wo er ist, und verteilen sie in der ganzen Wohnung. Das ist wirklich die sicherste Lösung. Allerdings brauche ich dazu jetzt den Schlüssel.«
»Warum? Meine Freundin kommt gleich mit ihrem Neffen, und wir fahren dann zum Weinkeller. Bis dahin möchte ich ihn bei mir behalten.«
»So viel Zeit habe ich nicht. Wir müssen das jetzt erledigen!« Man spürte förmlich die Spannung, die mit einem Mal zwischen den beiden Frauen herrschte.
»Ich gebe Ihnen den Schlüssel aber nicht«, sagte Gerlinde Pelinka entschlossen.
»Machen Sie keine Dummheiten! Es ist nur zu Ihrem Besten«, forderte Valerie Jäger in ungewohnt scharfem Ton.
»Ich möchte nicht, dass Sie mir den Schlüssel wegnehmen.«
»Das tue ich ja gar nicht!«
»Doch!«
Die Stimmung war endgültig aufgeheizt. Valerie Jäger war auf einmal von einer giftigen Besessenheit gepackt. Gerlinde Pelinka wiederum wollte nicht nachgeben. »Sie verstecken mir immer meine Sachen, damit ich sie nicht finde«, rief sie.
»So nehmen Sie doch Vernunft an und geben Sie ihn her«, befahl Valerie. Gerlinde Pelinkas Hand krallte sich um den Schlüssel in ihrer Westentasche. Valerie ging nun geradewegs auf sie zu. Gerlinde wich angsterfüllt ein paar Schritte zurück.
Valerie schnappte sie beim Kragen. »Den Schlüssel her, aber rasch«, zischte sie und schüttelte ihr Gegenüber dabei. »Lassen Sie ihn sofort los, sonst kann ich auch andere Methoden anwenden.«
Gerlinde Pelinka wehrte sich tapfer. »Hilfe, so helft mir doch!«, schrie sie, während sich Valeries Hand um ihre Kehle legte. »Ihnen wird niemand mehr helfen«, sagte Valerie. Gerlinde hatte das Gefühl, als müsse sie noch einmal schnell einatmen, ehe alles zu spät war.
»Was tun Sie denn einer armen, alten Frau?«, ertönte da plötzlich Leopolds Stimme aus dem Hintergrund. »Sie wollen sie doch nicht am Ende erwürgen, einen Tag vor Heiligabend?«
»Was machen Sie denn hier?«, fuhr Valerie Jäger überrascht auf.
»Ich schaue nur ein bisschen nach Frau Pelinka, und natürlich nach dem Schlüssel zum Weinkeller. Der ist uns nämlich heilig. Wir wollen uns ja den Keller anschauen, meine Tante und ich.«
»Schlüssel? Welcher Schlüssel?«, lächelte Valerie verkrampft. »Es gibt keinen Schlüssel!«
»Sie meinen, weil Sie ihn jetzt noch schnell aus Frau Pelinkas Westentasche stibitzt haben? Ich habe es gerade blitzen gesehen.«
»Fassen Sie mich nur ja nicht an! Sie haben kein Recht dazu, was auch immer zu suchen!«
»Ich tu Ihnen schon nichts«, bemerkte Leopold gelassen. »Vor allem deswegen, weil ich den Schlüssel, den Sie soeben eingesteckt haben, gar nicht brauche. Es handelt sich um einen alten Wohnungsschlüssel von mir. Ich habe ihn damals zum Spaß aufgehoben. Den dürfen Sie ruhig behalten.«
Valerie Jäger schaute ihn entgeistert an.
»Sie wundern sich?«, fuhr Leopold fort. »Sie müssten doch wissen, dass sich der echte Schlüssel schon lange bei Ihnen zu Hause befindet. Vermutlich in einem der Küchenkästchen, die Sie sofort kritisch geprüft haben, als Sie mich gestern aus Ihrer Küche hinauskomplimentiert haben. Den anderen Schlüssel haben wir erfunden, um Sie neugierig zu machen.«
»Was ist das hier für ein Versteckspiel? Was soll das heißen?«, Valerie war außer sich.
»Das soll heißen, dass Sie gut beraten wären, uns den echten Schlüssel auszuhändigen und Zutritt zum Weinkeller zu verschaffen«,
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