Philosophenpunsch
»Natürlich bleib ich noch hier bei dir im warmen Bett, Dummerchen. Aber irgendwann muss ich dann auf und den Computer aufdrehen wegen dieser Jutta irgendwas. Und bei der Gelegenheit sage ich das mit Angerer auch dem Leopold – und natürlich meinem neuen Freund, Inspektor Bollek!«
13
Sie musste tapfer sein und das tun beziehungsweise sagen, worum man sie gebeten hatte. Es war dabei völlig egal, ob sie es mit aufgeregter oder ruhiger, zitternder oder fester, lauter oder leiser Stimme tat. Wichtig war, was sie sagen würde. Davor hatte sie Angst. Es war zwar jemand bei ihr, aber diese Person würde ihr nicht helfen können. Und der Zettel, den man ihr gegeben hatte? Würde der eine Stütze sein? Sie wusste es nicht. Mein Gott, war sie nervös! Und wenn man nervös ist, macht man Fehler, dachte sie, auch wenn man die Dinge sonst im Schlaf beherrscht. Wie also würde es ihr gehen, die sowieso dazu neigte, den Faden zu verlieren?
War es unüberlegt gewesen, dass sie zugesagt hatte? Musste sie Angst haben? Es würde nicht gefährlich werden, hatte man ihr versichert, man würde schon auf sie aufpassen. Aber was zählten solche Versprechen? Sie fühlte sich ein wenig überrumpelt. Trotzdem konnte sie jetzt nicht mehr zurück und musste versuchen, das Beste aus allem zu machen.
Aus irgendeinem unbestimmten Grund fürchtete sie plötzlich um ihr Leben. Sie hatte, trotz ihres Alters, noch nicht oft darüber nachgedacht, wie es sein würde, dem Tod ins Auge zu schauen. Wenn sie etwa sagte: »Wir müssen alle einmal gehen«, so war das eine Floskel, ein Bestandteil ihres Sprachschatzes, den sie gern anwendete, nichts weiter. Dabei konnte es immer und überall passieren. Man war plötzlich nicht mehr. Das wurde ihr mit einem Mal schmerzlich bewusst. Nein, so schlimm würde es schon nicht werden. Sie würde kämpfen, und jemand anders war ja auch noch da. Es war wichtig, dass sie sich auf ihre Aufgabe konzentrierte. Noch einmal las sie sich die Notizen auf dem Zettel durch. Wie viel davon würde sie behalten? Man gab ihr ein Zeichen. Jetzt! Was, so weit war es schon? Einen Augenblick stand sie nur da und schien schon wieder alles vergessen zu haben, was sie tun sollte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Was sollte sie sagen? Man erinnerte sie: Das, was man gemeinsam besprochen hatte. Was auf dem Zettel stand. Wie benommen ging sie zum Telefon, nahm den Hörer ab, wählte die vertraute Nummer.
Und doch kamen ihre ersten Worte genau richtig: ein wenig zögernd, ein wenig unpräzise, aber sie trafen die Person am anderen Ende der Leitung tief ins Mark.
*
Gerlinde Pelinka öffnete die Tür und streckte ihren Kopf vorsichtig hinaus. »Ja, Frau Jäger, was machen denn Sie heute hier?«, fragte sie ungläubig.
»Ich komme nur schnell die Wäsche holen«, antwortete Valerie Jäger.
»Die Wäsche?«
»Ja! Es ist doch morgen Heiliger Abend, und da dachte ich, ich schaue noch einmal einen Sprung vorbei. Dann haben wir alle über Weihnachten unsere Ruhe, und Sie bekommen Ihre Wäsche gleich nach den Feiertagen wieder. Haben wir das denn nicht jedes Jahr so gemacht?«
»Jedes Jahr? Also ich weiß nicht so recht.«
»Lassen Sie mich bitte nur kurz herein. Ich mache das schon. Sie brauchen sich um gar nichts zu kümmern.«
»Aber ich habe die Wäsche gar nicht hergerichtet«, äußerte Gerlinde Pelinka Bedenken.
»Das macht nichts! Ich weiß doch, wo die Sachen sind. Im Handumdrehen habe ich alles beisammen.« Zielstrebig bewegte Valerie Jäger sich auf das Schlafzimmer zu.
»Sie bringen mir ja alles durcheinander«, rief Gerlinde ihr hinterher.
»Liebe Frau Pelinka! Seit Jahren komme ich jede Woche – na, wie oft? – mindestens zweimal zu Ihnen, und ich habe Ihnen noch nie etwas durcheinandergebracht«, versuchte Valerie, solche Bedenken im Keim zu ersticken. Sie begann, die Schmutzwäsche in einen großen Sack zu räumen, während Gerlinde misstrauisch herbeigeeilt kam. »So beruhigen Sie sich doch, Frau Pelinka, ich bin praktisch schon fertig«, redete sie unterdessen weiter. »Sie haben vorhin bei mir angerufen, wegen dem Schlüssel für den Weinkeller. Sie haben ihn tatsächlich gefunden?«
»Nein, das heißt, ja. Der eine, der von gestern, ist verschwunden. Aber ich habe ganz vergessen, dass es noch einen zweiten Schlüssel gibt. Mein Sohn hat mich daran erinnert und auch noch gewusst, wo er sich befindet. Jetzt kann ich doch mit meiner Freundin in den Weinkeller gehen. Ist das nicht schön?«
»Natürlich,
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