Philosophenpunsch
erklären. Also: Ich finde heraus, dass man nichts über einen Kontakt zwischen Vater und Sohn weiß. Mehr noch: dass man über den Verbleib des Vaters gar nichts mehr weiß. ›Wo ist er‹, frage ich mich. In seinen kühnsten Gedanken lebt er hier irgendwo als U-Boot und steht seinem Sohn heimlich zur Seite, hat vielleicht einen Mord für ihn begangen. Aber da ist nichts Greifbares, kein Lebenszeichen. Hast du gehört, Tante? Kein Lebenszeichen!«
Agnes Windbichlers Augen blickten jetzt gebannt in Richtung Weinkeller, wo es den Anschein hatte, als würde das, was von Franz Jägers Leichnam übriggeblieben war, jeden Augenblick herausgebracht. »Da schaust du jetzt lieber nicht hin, so eine gut abgelegene Leiche hat überhaupt nichts mehr Schönes an sich«, riet Leopold ihr. »Dabei war er zu Lebzeiten wirklich ein fescher Mensch. Aber lasst euch weitererzählen: Kein Lebenszeichen also. Da fällt mir wieder die Geschichte mit dem Schlüssel ein, dass Sie, Frau Pelinka, ihn nicht finden. Dass Ihre Haushaltshilfe die Frau Jäger ist. Sie konnte den Schlüssel schon längst bei sich haben und Sie nur in dem Glauben gelassen haben, Sie hätten ihn wieder verlegt. Diese Annahme hat mir ziemlich gut gefallen. Jetzt weißt du auch, warum ich gestern so schnell in der Küche der Jägers verschwunden bin, nicht wahr, Tante?«
Die Tante machte eine tadelnde Bewegung mit dem Zeigefinger: »Du ungezogener Neffe, du! Tut man so was? Aber klar, du musstest versuchen, den Schlüssel zu finden.«
»Ja und nein. Es war zunächst einmal eine Chance, die sich plötzlich und zufällig ergeben hatte. Dass ich den Schlüssel so schnell finden würde, war eher unwahrscheinlich, mir ist es vor allem auf die Reaktion von Valerie Jäger angekommen. Und tatsächlich hatte ich eine gute Nase, es in der Küche zu versuchen. Valerie war sofort hektisch und hat in ihren Kästchen nachgeschaut, mich dabei mit unfreundlichen Worten bedacht. Das hat mich davon überzeugt, dass sie den Schlüssel hat. Was aber bewegt sie dazu, verhindern zu wollen, dass jemand den Weinkeller betritt? Die Antwort: Sie hat ihren Mann umgebracht, und er liegt jetzt da unten.
Natürlich war das vorerst nur eine Hypothese, sie hat mich allerdings nicht mehr losgelassen. Dank meinem Freund Thomas Korber hatte ich heute früh die Telefonnummer von Jägers Freundin Jutta Kowalczyk in Frankfurt – das heißt, ich habe mich durch einige Nummern durchtelefonieren müssen, aber dann war es so weit. Sie hat mir bestätigt, dass sie Jäger vor zwei Jahren wieder hinausgeworfen hat. Er wollte ihren Angaben nach wieder zurück nach Österreich, zu seiner Frau. Also, klingelt’s bei euch? Übrigens hat sie sich sogar noch an unser Kaffeehaus erinnert. Ein beachtliches Weibsbild! Ich hab mich dann mit Richard Juricek in Verbindung gesetzt. Natürlich war die Beweislage dünn. Er wollte das Schloss zum Weinkeller nicht aufbrechen lassen. Angst vor einer Blamage hat er gehabt. Wahrscheinlich wollte er einen Tag vor Weihnachten, noch dazu an einem Sonntag, niemanden in einen unnötigen Einsatz schicken. Ich seh’s ja selbst, wie die Beamten dreinschauen. Fröhliche Gesichter sind das nicht gerade.«
»Das ist, weil es schon wieder dunkel und kühl wird, Leopold«, stellte Agnes Windbichler fest. »Aber war es wirklich notwendig, meine Freundin Gerlinde in die Sache hineinzuziehen?«
»Natürlich«, antwortete Leopold wie aus der Pistole geschossen. »Das war schließlich die einzige Möglichkeit, um Richard umzustimmen. Wenn Valerie Jäger auf den Köder mit dem zweiten Schlüssel hereinfiel, konnten wir davon ausgehen, dass sie wirklich Dreck am Stecken hat. Und passieren hat nicht viel können. Richard und ich haben im Haus auf der Kellerstiege gewartet und konnten jederzeit eingreifen.«
»Ein bisserl gefürchtet hab ich mich schon«, gestand Gerlinde Pelinka. »Genau genommen, hab ich am Schluss richtig Angst gehabt.«
»Aber gut ist es ausgegangen, und Sie haben Ihre Rolle wirklich großartig gespielt und uns sehr geholfen. Eins haben Sie jedenfalls bewiesen: Auch wenn Sie manchmal das eine oder andere vergessen, sind Sie noch toll in Schuss, besser, als es Ihnen manche zutrauen.«
»Meinen Sie wirklich? Na ja«, nahm Frau Pelinka das Lob bescheiden auf. »Froh wär ich halt, wenn schon wieder alles vorüber wär und ich meine Ruhe hätt.«
»Ist diese junge Dame auch von Frau Jäger getötet worden?«, wollte Agnes Windbichler wissen.
Leopold wollte zu einem
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