Phobia: Thriller (German Edition)
ähnlich.
Der Kiosk neben dem Eingang zur U-Bahn hatte bereits geschlossen. Im ersten Moment ärgerte sich Mark darüber, doch dann kehrte sogleich seine Vernunft zurück, und er war froh, dass er nun keine Chance hatte, der Versuchung zu erliegen und sich zu betrinken. Er sah weit und breit keinen Pub und auch keinen Spirituosenladen, und das war gut so.
Er lief die Stufen zum Bahnsteig hinab und hörte gerade noch, wie die U-Bahn abfuhr. Mit einem stummen Fluch sah er auf die Anzeige über der menschenleeren Plattform. Der nächste Zug würde in fünfzehn Minuten eintreffen.
Er ließ sich auf eine Metallbank sinken und starrte auf die weiß und grün gekachelte Wand jenseits der Gleise. In einiger Entfernung vernahm er Schritte auf dem Treppenabgang.
»Bravo«, rief ihm eine tiefe raue Stimme zu. »Sie haben mir gerade eine Entscheidung abgenommen.«
Mark sah sich zu dem Mann um, der aus dem Durchgang auf den Bahnsteig kam. Er trug einen hellen Mantel, der ihm ebenso zu kurz war wie der dunkle Anzug. Mark erkannte ihn sofort, auch wenn das vernarbte Gesicht halb unter seiner Schildkappe verborgen war.
Diese Kappe ist das Einzige, das tatsächlich zu ihm gehört , dachte er und stand auf. Er spürte, wie ihm flau wurde.
»Sie?«
»Guten Abend.«
Der Mann nickte grüßend und kam schlurfend näher, die Hände in den Manteltaschen, der Oberkörper leicht gekrümmt. Er blieb in einigem Abstand vor Mark stehen.
»Tja, Mark, ich dachte, wir sollten uns einmal unterhalten.«
»Sie kennen meinen Namen?«
Der Mann sah ihn mit einem unbestimmten Lächeln an, das sein Narbengesicht wie eine hässliche Maske wirken ließ. »Sicher. Sarah hat mir schon viel von Ihnen erzählt.«
»Ach ja? Hat sie das?«
Sein Lächeln wurde breiter. »Nun ja, nicht persönlich, aber in ihren Tagebüchern. Sie spricht darin sehr offen.«
»Sie glauben, Sie kennen Sarah, weil Sie Ihre Tagebücher gelesen haben? Ist das der Grund, weshalb Sie ihr das alles antun?«
»Ich kenne Sarah besser, als Sie denken«, sagte der Mann, ohne auf Marks letzte Frage einzugehen. »Sie bedeuten ihr sehr viel. Sarah hat Sie sehr oft erwähnt. Sie waren für sie der große Bruder, den sie sich immer gewünscht hat. Umso mehr freut es mich, dass meine kleine Intervention Sie beide wieder zusammengeführt hat. Sarah hat Sie vermisst, wussten Sie das?«
»Wer sind Sie?«, fragte Mark. »Wie heißen Sie?«
»Mein Name hat nichts zu bedeuten. Ich bin ein Niemand.«
»Sagen Sie ihn mir trotzdem. Wie soll ich Sie ansprechen?«
Für einen Moment schien der Mann zu überlegen. »Also gut«, sagte er schließlich. »Nennen Sie mich Hiob. Das würde es recht gut treffen, denke ich.«
Mark sah ihn skeptisch an. »Der Hiob, dem Gott alles Unheil hat widerfahren lassen, um seinen Glauben zu prüfen?«
Der Mann nahm die Hände aus den Taschen, und das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. »Sie wissen nichts, Mark. Überhaupt nichts.«
Mark machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu. »Okay, denken Sie nicht, es wäre dann an der Zeit, mir endlich zu sagen, was Sie mit diesem Spiel bezwecken?«
»O nein, es ist kein Spiel, Mark. Das war es zu keiner Zeit.«
Der Mann, der sich Hiob nannte, schob seine Kappe ein Stück hoch, sodass sie sich in die Augen sehen konnten. Obwohl es nicht besonders hell in der U-Bahn-Station war, waren seine Pupillen zu kleinen dunklen Punkten verengt. Eine Miosis , dachte Mark, wie sie etwa durch die Einnahme von Morphium hervorgerufen wird .
Mark hielt seinem Blick stand. »Na schön, Hiob , wenn es also kein Spiel ist, was ist es dann?«
»Ich will Sarah helfen.«
»Sarah helfen ?«, rief Mark lauter als beabsichtigt. »Etwa, indem Sie Ihren Mann entführen?«
Der Mann schob die Hände wieder in die Manteltaschen und zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Das hat Stephen sich selbst zuzuschreiben. Er hat sich wie der sprichwörtliche Esel verhalten, der aufs Eis geht, wenn es ihm zu wohl ist. Aber ich bin mir sicher, er hat inzwischen verstanden, dass das Eis zu dünn gewesen ist.«
»Wo ist Stephen? Und wo ist diese Frau?«
Hiob senkte den Kopf und seufzte, dann sah er wieder zu Mark auf. »Stephen hat seine Lektion gelernt«, sagte er leise. »Mit ihm bin ich fertig.«
Mark spürte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Diese Antwort hatte er befürchtet. »Das heißt … er ist tot?«
»Das habe ich so nicht gesagt.«
»Er lebt also noch?«
»Möglicherweise.« Der Unbekannte sah auf die Uhr über dem
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