Phobia: Thriller (German Edition)
Hätte ich etwa zusehen sollen, wie sie daran zerbricht?«
In seinem Gesicht begann es zu arbeiten. Er schien Schmerzen zu haben, aber Mark sah auch Verbitterung und Trauer in diesen Augen.
»Sie sind selbst an etwas zerbrochen, nicht wahr, Hiob?«, sagte er ruhig. »Und jetzt greifen Sie in Sarahs Leben ein, weil sie Sie an die Frau auf dem Foto erinnert. So ist es doch, oder?«
Hiob erstarrte und antwortete nicht.
»Wer war sie? Ihre Frau?«
»Sie war ein Opfer«, flüsterte er. »So wie ich.«
»Opfer? Opfer von was?«
»Das geht Sie nichts an!«
»Na schön, vielleicht geht es mich nichts an, aber Sarah geht es sehr wohl etwas an. Schließlich haben Sie sie deswegen ebenfalls zu einem Opfer gemacht. Zu Ihrem Opfer.«
»Sie täuschen sich, Mark. Sie war ihr eigenes Opfer. Ich habe Sie lediglich wachgerüttelt.«
»Okay, Sarah hat Ihre Botschaft bekommen. Das wissen Sie. Also sagen Sie mir jetzt endlich, wo Stephen und die Frau sind?«
»Das habe ich bereits getan.«
»Nein«, Mark winkte ab, »nein, das haben Sie nicht. Sie haben nur kryptisches Zeug geredet.«
»Dann strengen Sie sich an, Mark.« Wieder lächelte Hiob, und nun wirkte es boshaft. »Wenn Sie sich nicht beeilen, sind beide tot.«
Eine automatische Durchsage verkündete das Nahen der U-Bahn, und in der Schwärze des Tunnels hörte man fern das metallische Donnern des Zuges.
»Sie sollten diese Bahn nicht nehmen, Mark«, rief ihm Hiob zu und zog die linke Hand aus dem Mantel. »Gehen Sie zurück zu Sarah und sagen Sie ihr, sie soll sich beeilen. Sie wissen bereits alles, was nötig ist. Und geben Sie ihr das.«
Er öffnete die vernarbte Hand, und Mark sah den goldenen Ring darin. Er musste nicht genauer hinsehen, um zu wissen, dass es Stephens Ehering war.
»Nun nehmen Sie schon«, rief Hiob und sah in den Tunnel, aus dem ihnen nun ein eisiger Windhauch entgegenschlug, vermischt mit dem Geruch nach Teer und feuchtem Stein. »Das wird die Polizei überzeugen!«
»Und Sie? Was haben Sie nun vor?«
»Ich werde die Bahn nehmen und verschwinden.«
Mark sah ein Rinnsal Blut, das Hiob aus der Nase floss, und den Schweiß, der ihm plötzlich übers Gesicht lief.
»Sie werden mich nicht davon abhalten können, Mark. Also versuchen Sie es erst gar nicht.«
»Nein!«, rief Mark und ging auf ihn zu. »Warten Sie! Sie müssen es Sarah und der Polizei selbst erklären.«
»Das verstehen Sie nicht«, fuhr Hiob ihn an, dann stöhnte er plötzlich auf und krümmte sich zusammen, als habe ihm jemand in die Magengrube geschlagen.
Er drohte vornüber auf die Gleise zu stürzen, und mit zwei schnellen Schritten war Mark bei ihm. Er wollte Hiobs Sturz abfangen, doch kaum hatte er ihn gepackt, als er sah, wie Hiob einen schwarzen Gegenstand aus der rechten Manteltasche riss. Beinahe im gleichen Augenblick wurde er von einem heftigen elektrischen Schlag getroffen.
Mark zuckte zusammen und wurde durch den Schock zurückgeworfen.
Augenblicklich richtete Hiob sich wieder auf, sprang zu ihm und verpasste ihm einen weiteren Stromstoß mit dem Elektroschocker.
Mark wand sich auf dem Boden. Seine Muskeln zuckten unkontrolliert.
Hiob stand keuchend über ihm. »Es … tut mir leid, Mark. Sagen Sie Sarah …«
Dann schüttelte er den Kopf, wandte sich ab und sprang auf die Gleise.
»Nein!«, schrie Mark. »Tun Sie das nicht!«
Er wollte Hiob nachlaufen. Doch seine Beine zitterten zu sehr, und er schaffte es nicht, sich aufzurichten. Auf allen vieren kroch er an die Bahnsteigkante.
»Hiob! Verdammt, nein!«
Der Unbekannte drehte sich zu ihm um, verzog das Gesicht zu einem Grinsen, in das sich Angst und Verzweiflung mischten.
»Gott hat einen kranken Sinn für Humor«, schrie er ihm durch das Donnern des herannahenden Zuges zu. »Finden Sie nicht auch, Mark?«
Dann ging er los, in die Schwärze des Tunnels.
Mark brüllte, doch sein Schrei wurde vom metallenen Kreischen der Bremsen übertönt.
Dann folgte der Aufprall, und gleich darauf kam die U-Bahn am Ende des Tunnels zum Stehen.
Ihre Front war mit Hiobs Blut bespritzt.
Teil 6 Hiobs Vermächtnis
71.
Binnen kürzester Zeit waren zahlreiche Streifen- und Rettungswagen an der U-Bahn-Station eingetroffen. Stepney Green würde für die nächsten Stunden gesperrt bleiben. Blaulichter zuckten über die Häuserfassaden, und an der Ecke Mile End Road und Globe Road hatte sich ein Stau gebildet.
Mark saß am Heck eines Rettungswagens. Ein Sanitäter hatte ihm eine Wärmefolie um die
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